Nachbarn rügen die „brutale Bauweise“ der neuen Verwaltungszentrale der Süddeutschen Krankenversicherung. Das Unternehmen spricht von einem „nachhaltigen Gebäude“.

Fellbach - Wohl ein dreiviertel Jahr dauert es noch, bis sich die Großbaustelle an der Lise-Meitner-Straße in die künftige Verwaltungszentrale der Süddeutschen Krankenversicherung (SDK) verwandelt hat und gut 550 Beschäftigten einen modernen Arbeitsplatz bieten wird. Doch des einen große Freud’, des anderen Leid: Aus der östlich gelegenen Passivhaussiedlung an der Fellbacher Straße erreichen unsere Redaktion von mehreren Bewohnern Beschwerden über die Dimension des SDK-Neubaus.

 

Damit habe man einst nicht gerechnet, als sie vor zehn Jahren eingezogen seien. Damals „wurde uns zugesagt, die Gebäude würden nicht höher als unsere Wohnhäuser“, sagt eine Nachbarin. Stattdessen habe man jetzt eine „brutale Bauweise“ direkt vor der Terrasse oder dem Balkon, schimpft ein anderer Nachbar. Der seitherige Blick auf den schönen Sonnenuntergang sei nunmehr verwehrt. „Wir sind not amused“, ergänzt eine weitere Anwohnerin, „und das sehen alle so.“

Ein Auftrag „für künftige Projekte“ in Fellbach

Wieso habe man denn nicht flacher bauen sowie Zwischenräume anlegen können – ähnlich der Achsen in der Siedlung? „Mit einer verstärkten Bebauung etwa direkt an der Lise-Meitner-Straße in West-Ost-Richtung hätte man ähnlich viel Büroraum wie jetzt geschaffen“, meint einer der Anlieger. Die Kritik richte sich im Übrigen nicht nur an die Versicherung, sondern auch ans Rathaus und an die Gemeinderäte, die auch mal „an die dort schon lebenden Leute denken“ sollten und nicht nur an möglichst hohe Neubauten für Firmen oder Wohngebäude.

Der Vorstoß sei deshalb auch als Auftrag für künftige Projekte in Fellbach zu verstehen, denn „natürlich wissen wir, dass sich an der jetzigen Bebauung nichts mehr ändern lässt“.

Auf Nachfrage unserer Redaktion verweist die Krankenversicherung, einer der größten Arbeitgeber in Fellbach, in ihrer Antwort auf den bereits seit dem Jahr 2007 gültigen und somit bekannten Bebauungsplan. Der SDK zufolge bestand dieses Baurecht bereits vor dem Einzug der Bewohner in die Passivhaussiedlung. Die Planung sowie Ausführung des Verwaltungsneubaus sei eng mit der Stadtverwaltung Fellbach abgestimmt gewesen. „Uns ist bewusst, dass der Blick auf unser Gebäude im Vergleich zur Aussicht auf die grüne Wiese davor gewöhnungsbedürftig sein mag“, so das Statement. „Wir sind daher mit unseren Nachbarn bereits zu Beginn unseres Planungsprozesses in den Austausch gegangen und haben diverse Informationsveranstaltungen angeboten sowie im Bauverlauf regelmäßig Newsletter über den Baufortschritt und anstehende Arbeiten versendet.“ So habe die SDK beispielsweise im Austausch und auf Bitte einiger Nachbarn die Grünfläche zur Passivhaussiedlung hin so konzipiert, „dass durch begrünte Wälle eine visuelle Abgrenzung gegeben ist“.

Die Bauhöhe ist etwas niedriger als erlaubt

Generell habe die SDK darauf geachtet, auch ausreichend Grünflächen ins Bauvorhaben zu integrieren, der Außenbereich sei bewusst zur Passivhaussiedlung hin angelegt worden. Zudem schöpfe man den Bebauungsplan, was die Höhe des Gebäudes angeht, nicht komplett aus. „Möglich wären 24 Meter, tatsächlich sind es jedoch knapp 22 Meter.“ Die SDK gibt sich überzeugt von ihren Plänen: „Durch diesen Neubau schaffen wir ein modernes und nachhaltiges Gebäude“, das Energie- und Klimakonzept sei zudem eng mit den Stadtwerken abgestimmt. „Wir befinden uns ebenso wie andere im Kampf um Fachkräfte, und da spielt ein modernes Arbeitsumfeld eine wichtige Rolle. Vor diesem Hintergrund haben wir uns bewusst zum Standort Fellbach bekannt und setzen auch in Zukunft auf ein gutes und konstruktives Miteinander, nicht nur mit der Verwaltung, sondern gerade auch mit den Bürgerinnen und Bürgern, von denen auch viele zu unseren Kunden zählen. Deshalb ist es uns wichtig, bezüglich unserer Baustellen etwaige Sorgen und Beschwerden nicht abzutun und stehen für Gespräche und Fragen immer gerne zur Verfügung“, heißt es.

„Das konstruktive Miteinander in den Abstimmungen mit der Stadt schätzen wir sehr und sind hierfür dankbar“, so die SDK. Nicht zuletzt deshalb liege man nach wie vor sehr gut im Zeitplan, „und wir sind optimistisch, dass der für Ende 2021 avisierte Termin des Umzugs gehalten werden kann“. Auch wenn Corona der SDK an der einen oder anderen Stelle Steine in den Weg gelegt habe und immer noch lege: die Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten untereinander sei partnerschaftlich. „Wir sprechen daher auch lieber von der BAM Deutschland AG als unserem Partner anstatt von unserem Generalunternehmer“, wodurch solche Widrigkeiten bislang immer „gut umschifft werden konnten“.