Ärger über Gutachten zu Ladenetzen Daimler-Truck-Chef kritisiert die Wirtschaftsweisen

Daimler-Truck-Vorstandschef Martin Daum verweist auf den „gesunden Menschenverstand“. Foto: Imago/Sven Simon/FrankHoermann

Der Chef des Lkw-Konzerns Daimler Truck wendet sich gegen die von den Regierungsberatern empfohlene Konzentration auf batterie-elektrische Fahrzeuge: „Das sagt schon der gesunde Menschenverstand.“

Automobilwirtschaft/Maschinenbau: Matthias Schmidt (mas)

Zuerst hat Daimler-Truck-Chef Martin Daum seine Kritik an den so genannten Wirtschaftsweisen der Bundesregierung noch vorsichtig anmoderiert: Es stehe ihm nicht zu, die Arbeit des Sachverständigenrats zu bewerten. Doch war die Süffisanz in seinen Worten nicht zu überhören, und an Deutlichkeit fehlte es auch nicht.

 

„Ich bin kein Sachverständiger“, sagte der Vorstandschef des Dax-Konzerns im Rahmen eines von Ferdinand Dudenhöffer moderierten Pressegesprächs, „aber es genügt schon der gesunde Menschenverstand, um das zu erkennen: Der Aufbau eines Ladenetzes für batterie-elektrische Lkw wird exorbitant teuer und dauert sehr lange. Wir müssen gleichzeitig ein Wasserstoffnetz für Lkw mit Brennstoffzelle in Angriff nehmen, um ans Ziel zu kommen“, forderte Daum. Es sei fahrlässig, „wenn ein Sachverständigenrat einen Weg zum Klimaschutz abschneiden will, zumal dieser ja vor allem von privaten Investoren finanziert wird.“

Der Sachverständigenrat ist uneins – nicht zum ersten Mal

Genau dafür hatten die Wirtschaftsweisen mehrheitlich in ihrem vor kurzem vorgestellten Frühjahrsgutachten plädiert: Die Politik solle sich auf die Förderung des Ladenetzes für Batterie-Lkw konzentrieren. Denn dabei handle es sich um die Technik, die bereits marktreif sei und am schnellsten klimawirksame Effekte bringe. Bei wasserstoff-basierten Antrieben hingegen seien noch zu viele Fragen ungeklärt, etwa jene, ob die Lkw den Treibstoff in flüssiger Form oder als Gas mit sich führen sollen.

Bezeichnenderweise führte die industriepolitische Frage, bei welcher Technologie die staatlichen Fördermittel am effizientesten eingesetzt wären, jedoch zu einem neuen Eklat im ohnehin zerstrittenen Gremium. Nicht zum ersten Mal stand dabei die Nürnberger Energieexpertin Veronika Grimm allein gegen die vier weiteren Mitglieder des Rates. Sie werfen ihr Befangenheit vor, da sie seit Kurzem im Aufsichtsrat von Siemens Energy sitzt, einem Unternehmen, das in der Wasserstofftechnologie engagiert ist.

„Man hätte bloß richtig zuhören müssen“, meint Veronika Grimm

Grimm hält dagegen, ihr abweichendes Votum habe damit nichts zu tun, sondern fuße auf in vielen Jahren auf diesem Feld erworbener Expertise. Sie gehört dem Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung an und ist Vorstandsmitglied des Zentrums Wasserstoff in Bayern.

„Es ist ja nicht so, dass sich alle angehörten Experten auf den Elektroantrieb festgelegt hätten. Dafür hätte man bloß allen richtig zuhören müssen“, warf Grimm den Ratskolleginnen und -kollegen via „Handelsblatt“ vor. In ihrem Minderheitenvotum schreibt sie: „Die Klimaziele der Bundesregierung für das Jahr 2045 sind nur zu erreichen, wenn eine Vielfalt von Technologieoptionen hinreichend schnell nutzbar wird.“ Die Vorsitzende Monika Schnitzer kontert mit dem Hinweis, Technologieoffenheit bedeute nicht „auf Staatskosten für alle möglichen Technologie parallele Infrastrukturen aufzubauen“.

Martin Daum hingegen plädiert dafür, mehrere Wege gleichzeitig zu beschreiten. Er bezweifelt, dass das Ladenetz für Batterie-Lkw schnell genug wachsen wird, um allein darauf zu setzen. „Wir brauchen an jeder Autobahnraststätte 20 Ladepunkte mit je weils einem Megawatt Ladeleistung, das entspricht dem Energiebedarf einer Kleinstadt“, führt Daum aus. Um die Ausbauziele bis 2030 zu erreichen, müssten jeden Monat 400 neue Ladesäulen gebaut werden, „aber in diesem Mai war es keine einzige.“

Wie auch andere große Nutzfahrzeughersteller setzt Daimler Truck sowohl auf batterie-betriebene Lastwagen und -Stadtbusse wie auch auf den Brennstoffzellenantrieb, bei dem Wasserstoff an Bord in Strom für den Elektromotor verwandelt wird. In Weilheim an der Teck plant der Konzern gemeinsam mit Volvo eine gemeinsame Brennstoffzellenproduktion.

ZF-Vorstand fordert von der Politik verlässliche Rahmenbedingungen

Flankenschutz erhielt Daum bei dem Pressegespräch, das im Vorfeld der „New Manufacturing World“ (11./12. Juni in Böblingen) stattfand, vom ZF-Produktionsvorstand Peter Laier. Als größter Nutzfahrzeugzulieferer der Welt brauche ZF ebenso verlässliche Rahmenbedingungen wie die Hersteller und die Investoren für Lade- und Wasserstoffnetze. Batterie-Lkw seien derzeit nur bis zu einer Reichweite von 500 Kilometern wirtschaftlich zu betreiben, sagte Laier. Deshalb müsse an den großen Nord-Süd- und Ost-West-Achsen auch Wasserstoff verfügbar gemacht werden. „Wir tendieren in Europa dazu, den Konsum zu subventionieren, während sich China auf die Infrastruktur konzentriert“, so Laier. China fördere gezielt Batterie-Lkw und Wasserstoff-Verbrennungsmotoren. In den USA hingegen hänge jetzt alles von der Wahl im November ab.

Klimaschutz im Schwerlastverkehr

Bedeutung
 In Deutschland ist der Verkehr für rund 20 Prozent aller klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. Ein Drittel davon entfällt auf den Güterverkehr, vor allem auf Lastwagen mit mehr als 3,5 Tonnen Gewicht.

Alternativen
 Mehrere Technologien sind geeignet, CO2-Emissionen im Schwerlastverkehr zu verringern. Große Hersteller bieten batterie-betriebene elektrische Modelle an und entwickeln zudem Antriebe mit Brennstoffzellen. Dabei wird (idealerweise mit Grünstrom hergestellter) Wasserstoff in der Brennstoffzelle an Bord in Strom umgewandelt, der einen Elektromotor antreibt. Alternativ kann Wasserstoff auch direkt in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden – oder in CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe umgewandelt werden, die wie herkömmliches Benzin und Diesel funktionieren.

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