Konstanz - Für Berlin ist die Fasnachtsparty in der baden-württembergischen Landesvertretung wie ein Überfall Außerirdischer. So ganz aus der Welt ist die Hauptstadt für die Narren im Südwesten aber doch nicht. Und so hängt in der Fasnachtshochburg Konstanz wegen der ominösen Berliner Party jetzt der Haussegen schief.
Grund ist kein alkoholbedingter Ausrutscher in der Besenkammer, sondern ein Fehltritt auf offener Bühne. Die meisten bemerkten ihn gar nicht. Selbst bei ihm habe es nicht gleich Klick gemacht, räumt der Konstanzer Abgeordnete Andreas Jung ein. Wie hundert andere hatte der Vizechef der Unionsfraktion fröhlich mitgeschunkelt, als Marcus Nabholz, schwergewichtiger Präsident der Narrengesellschaft Kamelia aus dem Stadtteil Paradies, den Konstanzer Fasnachtshit „Ja, wenn der ganze Bodensee ein einzigs Weinfass wär’“ trällerte.
Nabholz kann singen. Das Problem ist das Lied. Der Text ist harmlos, der Autor Willi Hermann ist es nicht. In der NS-Zeit tingelte er als antisemitischer Propagandaredner durchs Land. 1943 war er in ein Massaker an gefangenen Italienern in Griechenland verwickelt. Als der braune Fleck auf Hermanns Narrenkleid vor Jahresfrist bekannt wurde, herrschte Entsetzen. Man werde seine Lieder bei offiziellen Anlässen nicht mehr singen, kündigte Mario Böhler von der Narrengesellschaft Niederburg an, die mit Nabholz und dessen Kamelia auch die Fernsehfasnacht aus dem Konzil verantwortet. Jetzt ist Böhler „überrascht und enttäuscht“. Nabholz könne die Lieder daheim singen, aber es gebe wohl keinen offizielleren Auftritt als den in der Landesvertretung. Nach Fasnacht müsse man sich grundsätzlich unterhalten – auch über die Zukunft der gemeinsamen Fernsehfasnacht.
Nabholz entschuldigte sich mittlerweile „für den Vorfall“, allerdings trenne er zwischen Werk und Autor. Eine wirkliche Begründung für seinen Tritt ins Fettnäpfchen – manche sprechen von einer Arschbombe in einen randvollen Swimmingpool – blieb er schuldig. War es eine gezielte Provokation, schlichte Gedankenlosigkeit oder einfach nur der Wunsch nach einer guten Party? Hermanns Lieder sind Schunkelgaranten – zwar nicht mehr in Konstanz, aber doch in Berlin.