Thorsten Krenz, Konzernbevollmächtigter der Bahn für das Land, reagiert mit einem siebenseitigen Brief auf ein Interview, das Winfried Hermann unserer Zeitung gab. Und es gibt noch andere Proteste gegen die Äußerungen des Landesverkehrsministers.
So drastischen Widerspruch erntet sogar der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) nicht alle Tage: Was er im Interview mit unserer Zeitung zu der für Ende 2025 geplanten Inbetriebnahme des neuen Stuttgarter Tiefbahnhofes und zur Zukunft des Eisenbahnknotens sagte, zieht heftige Kritik nach sich. Vor allem Thorsten Krenz, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Baden-Württemberg, fährt dem Minister in die Parade. Er verschickte umgehend einen siebenseitigen Brief an die Mitglieder des Lenkungskreises von Stuttgart 21. In dem Brief, der unserer Zeitung vorliegt, gibt er nicht nur „Verwunderung“ zur Protokoll; er beanstandet auch „teils inkorrekte“ und in einen „sachlich unzutreffenden Zusammenhang gerückte“ Aussagen, spricht von „Richtigstellung bei einzelnen Punkten“.
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Hermann hatte die Öffentlichkeit darauf vorbereitet, dass im Jahr 2025 mit dem neuen Hauptbahnhof nur ein Teil von Stuttgart 21 in Betrieb gehen werde, was ungünstig sei für den Fahrplan. Krenz entwickelt eine ganz andere Sicht: S 21 werde zwar „anders fertig, als ehedem geplant“, das sei aber auch gut so, weil heute damit Ergänzungen verbunden seien und ein viel höherer Nutzen für die Reisenden. Gleichwohl bringe S 21 schon am ersten Tag der Inbetriebnahme viele Verbesserungen für Reisende.
Bahn schürt Hoffnung für Böblingen
Das Erfordernis der Ergänzungsstation, die Hermann ermöglichen möchte, sei nicht nachgewiesen, moniert Krenz. Bei Böblingen-Goldberg werde keineswegs ein Engpass durch die Anbindung des neuen Gäubahntunnels an die bisherige Gäubahnstrecke entstehen. Und: Durch Optimierung der bisherigen Prämissen sehe die Bahn jetzt auch „gute Chancen“, dass bei der Realisierung des Deutschlandtaktes doch auch in Böblingen und Singen Fernverkehrszüge halten. Auch am Flughafen entstünden nicht die beschworenen Engpässe, obwohl die neue Planung nur zwei neue Gleise zu bringen scheine, nicht drei wie die bisherige Planung. Grund: Auf den beiden künftigen Gleisen im Fernbahnhof könne es jeweils Doppelbelegungen mit 200-Meter-Zügen geben. Zudem gebe es neue Möglichkeiten durch digitale Technik.
Krenz stellt auch eine Gefahr in Abrede, dass wegen der Planänderung am Flughafen und des Tunnelbaus die Gäubahn ab Mitte 2025 zehn bis 15 Jahre „unterbrochen“ sein könnte, also so lange vom Hauptbahnhof abgehängt bleiben könnte. Das sei eine „nicht nachvollziehbare Annahme“. Außerdem: Der Abstellbahnhof Untertürkheim werde rechtzeitig gebaut. Der Cannstatter Tunnel werde 2025 deshalb nur teilweise in Betrieb gehen, weil man auf Wunsch des Ministeriums möglichst schnell Baumaßnahmen zur späteren Realisierung einer Verbindung mit der Strecke Stuttgart-Feuerbach (Stichwort P-Option) ergreife.
Handlungsdruck im Lenkungskreis
Ein wesentlicher Konfliktpunkt ist das, was am 2. Mai im Mövenpick-Kongresshotel geschehen soll: Da sei, sagt Krenz, „eine verantwortungsvolle Entscheidung der Projektpartner“ erforderlich. Die Baufirma, die für den Flughafen-Bahnhof tätig ist, wolle wissen, ob sie die Anschlussstelle für den Gäubahntunnel gleich mitbauen solle. Eine Verschiebung würde Baustopp bedeuten – „mit allen Konsequenzen für den Terminplan“. Dagegen hatte der Minister erklärt, er wolle Informationen. Bevor man in ein neues, milliardenteures Tunnelprojekt starte, wolle er sichergestellt haben, dass der Tunnel vom Bund finanziert werde, dass er einen Mehrwert habe und dass der Betrieb im Schienennetz funktioniere.
Kritik an Hermann versandte auch die FDP. Hans Dieter Scheerer, ihr nahverkehrspolitischer Sprecher im Landtag, erklärte: „Es ist gut, dass Minister Hermann erkannt hat, dass die Städte Böblingen und Singen unbedingt direkt anzubinden sind. Kein Verständnis habe ich dafür, wenn er erneut die Ergänzungsstation thematisiert.“ Bis heute sei Hermann den Nachweis schuldig geblieben, dass ein positiver Nutzen-Kosten-Faktor bei realistischen Preisen auch nur ansatzweise darstellbar wäre. Es gehe da um „Fantastereien aus der Ecke der Oben-bleiben-K21-Umsteiger“.
Gemischte Töne von der CDU
Kritik auch vom CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Bareiß: Hermann solle nicht länger die Fortschrittsprojekte blockieren. Vergleichsweise zurückhaltend dagegen die CDU im Landtag, die mit den Grünen für den Koalitionsvertrag eine Formel zum Bahnknoten Stuttgart geschmiedet hatte, der als eine Art Öffnungsklausel für verschiedene Ergänzungen von S 21 betrachtet wird. Der verkehrspolitische Sprecher Thomas Dörflinger erklärte: „Wir sind vertragstreu. Im gemeinsamen Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass die Umsetzung des beschleunigten Nordzulaufs, der P-Option und des langen Gäubahntunnels angegangen werden soll. Diese Verlässlichkeit in der Sache gilt auch für unseren grünen Koalitionspartner. Deswegen sollten wir jetzt gemeinsam mit allen Projektpartnern voller Tatkraft in die Umsetzung kommen.“
Nach dem Proteststurm reagierte das Verkehrsministerium noch auf die Reaktion von Krenz. Man erkenne ja an, dass die Bahn und die Projektgesellschaft alles täten, um möglichst viele Teile von S 21 bis Ende 2025 fertigzustellen. Der Projektpartner Land habe viel getan und tue viel, damit S 21 besser werde als ursprünglich geplant und dass es bald fertig werde. Dass es Ende 2025 noch „diverse Einschränkungen“ geben werde, liege zu einem guten Teil an Ergänzungen durch Umplanungen sowie zusätzliche Projekten und Maßnahmen. Wer im Lauf des Projekts welche Veränderungen und Erweiterungen zu verantworten habe, sei zweitrangig.