Arbeitgeber sollten den alltäglichen Stress für ihre Mitarbeiter reduzieren. Das steigert Leistungsfähigkeit und Motivation, meint unser Kommentator Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - In der Tarifpolitik verschieben sich die Koordinaten – die Arbeitswelt verändert sich. Die Gewerkschaften streben nicht mehr nur nach höheren Gehältern. Immer mehr drängt sich die Gestaltung der Arbeitszeit als zentrales Anliegen in den Vordergrund. Selten wurde dies so deutlich wie jetzt im Tarifkonflikt der Ärzte an den kommunalen Kliniken. Mehr Geld, gerne. Aber noch wichtiger ist vielen eine Arbeit, die sie nicht permanent überfordert und ihre Lebensqualität erhält.

 

Je jünger der Arbeitnehmer, desto mehr achtet er auf seine Worklife-Balance – ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit. Das ist nicht neu. Bei den Ärzten erweist sich die Arbeitsverdichtung generationsübergreifend als hoher Stressfaktor. Beispielsweise muss das Klinikpersonal einen immer höheren Dokumentationsaufwand leisten, sodass bereits die Versorgung der Patienten darunter leidet. Da kommt sogar das altbekannte Bild vom arbeitswütigen Chirurgen ins Wanken. Denn auch Routiniers mit ausgeprägtem Berufsethos haben Familie und bevorzugen eine stabile Beziehung – auch sie wollen den Ruhestand gesund erreichen. Früher mag dieses Bewusstsein eine weniger große Rolle gespielt haben. Doch das Verständnis von Lebensqualität hat sich geändert. Folglich werden die Grenzen der Arbeitszeit eher wahrgenommen.

Der Wandel ist in vielen Unternehmen bisher nicht angekommen. Gleich, ob im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft – der ökonomische Druck auf die Belegschaften nimmt noch zu. Besser wäre es, wenn die Arbeitgeber sich nicht erst von den Gewerkschaften oder der Politik drängen lassen, sondern aus freien Stücken zum Beispiel variablere Arbeitsformen fördern. Die Beschäftigten werden es ihnen mit einer höheren Motivation und anhaltender Arbeitskraft danken.

matthias.schiermeyer@stzn.de