In Baden-Württemberg gibt es zu wenig niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater. Unter den deutschen Großstädten bildet die Landeshauptstadt mit lediglich vier Praxen sogar das Schlusslicht und baut nun die ambulanten Hilfen aus, um den Versorgungsengpass zu mildern.

Stuttgart - In Baden-Württemberg gibt es fast überall zu wenig Kinder- und Jugendpsychiater. Ausnahmen sind die Gebiete entlang des Rheins. Wie die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung darlegt, sind die Lücken nicht allein auf dem Land groß, sondern auch in der Großstadt. Stuttgart ist dafür ein gutes Beispiel: 17 Praxen für niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater dürfte es geben, doch nur vier Ärzte stehen für die ambulante Versorgung der jungen Patienten zur Verfügung. Damit bildet Stuttgart das Schlusslicht unter den bundesdeutschen Großstädten.

 

Zwischen 500 und 1000 Kinder und Jugendliche sind jährlich in Stuttgart in Behandlung, die Hälfte derer ist in Familien aufgewachsen, in denen ein Elternteil ebenfalls psychisch erkrankt war, so der Ärztliche Direktor der städtischen Kinder- und Jugendpsychiatrie. Mit früher Intervention soll der Kreis durchbrochen werden. Da die Wartezeiten auf eine Konsultation bei einem der niedergelassenen Ärzte bis zu einem Jahr dauern könne, baut die Stadt die ambulanten Hilfen aus. Sozialarbeiter, ansässig bei den Gemeindepsychiatrischen Zentrenund beim Jugendamt, übernehmen die Lenkung der sozialtherapeutischen Angebote. Dem Sozialministerium ist die „angespannte Versorgungssituation“ bekannt. Es verweist auf eine geplante Erhebung, „aus der sich dann in Abstimmung mit dem Landeskrankenhausausschuss und den anderen Beteiligten weitergehende Konzepte und konkrete Schritte ableiten sollen“.

Derweil will die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KV) die Mediziner in unterversorgte Gebiete locken. Jeweils hälftig bezahlen die KV und die Krankenkassen für eine Praxisneueröffnung einen Investitionszuschuss von bis zu 60 000 Euro, einen Zuschlag pro Behandlungsfall für die Dauer von fünf Jahren oder einen monatlichen Lohnkostenzuschuss von 1750 Euro für festangestellte Fachärzte. ZuZ – Ziel und Zukunft – heißt dieses Programm. Es hat die Lücken in der Region bisher nicht schließen können. Der Ärztliche Direktor des Klinikums führt dies auf die Sorge der Kollegen vor Überforderung zurück, weil sie in diesen Gebieten allein agieren müssen.

Auch Prämien beheben den Mangel nicht

Der Patientenfürsprecher Georg Schulte-Kemna von der Beratungs- und Beschwerdestelle Psychiatrie in Stuttgart könnte sich bessere Arbeitsbedingungen für neue Ärzte im Rahmen medizinischer Versorgungszentren vorstellen, gegründet von den Kommunen oder Landkreisen. Dort könnten Psychiater als Angestellte arbeiten und wären vor Überforderung geschützt.