Ärztemangel Neuhausen will mit Prämie Haus- und Kinderärzte anlocken
Vorsorge gegen Versorgungslücken: Der Gemeinderat Neuhausen hat einen Investitionskostenzuschuss für Praxen beschlossen. Aber andere Kommunen zahlen mehr.
Vorsorge gegen Versorgungslücken: Der Gemeinderat Neuhausen hat einen Investitionskostenzuschuss für Praxen beschlossen. Aber andere Kommunen zahlen mehr.
Der Neuhausener Gemeinderat hat beraten, bis der Arzt kommt. Was in diesem Fall kein großer Act war, sondern der Not geschuldete Einstimmigkeit. Der Arzt respektive die Ärztin kam auch nicht in die Sitzung, sondern kommt – hoffentlich – in die Gemeinde. Und um dem Prinzip Hoffnung etwas nachzuhelfen, werden Ärztin oder Arzt künftig angelockt von einer Standortprämie und einem Investitionskostenzuschuss für die Praxis. Beides hat der Gemeinderat einhellig beschlossen.
Konkret geht es um Kinder- und um Hausärztinnen und -ärzte, also Allgemeinmediziner. Neu ist das Thema keineswegs: Versorgungsengpässe zeichnen sich schon seit etlichen Jahren ab. Aktuell spitzen sie sich zu, in Neuhausen wie im ganzen Land, heißt es in der Gemeinderatsvorlage. Andere Kommunen haben bereits mit ähnlichen Maßnahmen reagiert, um das hausärztliche Netz vor Ort zu sichern oder entstandene Lücken zu schließen. Denn landauf landab werden Praxen altershalber geschlossen, Nachfolgerinnen oder Nachfolger finden sich oftmals keine.
Die Gründe sind vielfältig. Der Hausärzteverband nennt unter anderem den wachsenden bürokratischen Aufwand, Mangel an medizinischem Fachpersonal und vor allem ausufernde Arbeitszeiten, die Ärztinnen und Ärzte in die Teilzeit und vor der Niederlassung fliehen lassen.
Die nun in Neuhausen beschlossenen Richtlinien wollen mit einer Prämie von monatlich 500 Euro pro niedergelassenem Vollzeit-Arzt gegensteuern. Weitere Ärztinnen und Ärzte in derselben Praxis erhalten 400 Euro, bei Teilzeit entsprechend weniger. Der Investitionskostenzuschuss für Praxisneugründungen oder -übernahmen übernimmt 50 Prozent der Kosten für Baumaßnahmen, Ausstattung, medizinische Geräte und IT-Infrastruktur, gedeckelt auf maximal 20 000 Euro. Wenn die Praxis nicht mindestens fünf Jahre besteht, muss der Zuschuss anteilig zurückgezahlt werden. Befristet sind beide Förderprogramme zunächst bis Ende 2028. Ob sie in die Verlängerung gehen, hängt von ihrer Wirksamkeit ab, aber ausdrücklich auch von der Kassenlage der Gemeinde. Für den Haushalt 2025 sind 60 000 Euro vorgesehen, für die Folgejahre jeweils 50 000 Euro.
Dass man damit in der lokalen Konkurrenz um die Ärzteschaft erfolgreich mitmischen kann, bezweifelt der SPD-Fraktionsvorsitzende Dietmar Rothmund und stellte die rhetorische Frage: „Ob ein Arzt bereit ist, auf viele Euro zu verzichten, nur um in Neuhausen praktizieren zu dürfen?“ Die SPD bedauere jedenfalls, „dass man in Neuhausen nicht bereit ist, auf dem finanziellen Niveau anderer Gemeinden und Städte im Umkreis zu investieren.“
Grundsätzlich gab es Lob für die Vorbereitung durch die Verwaltung und Einsicht in die Notwendigkeit, „Ärzte zu halten und neue zu gewinnen“, wie es Mariela Herzog (Freie Wähler) formulierte. Denn allen Beteiligten ist klar, dass „die langfristige Sicherstellung einer wohnortnahen medizinischen Versorgung leider keine Selbstverständlichkeit mehr ist“, aber auch „keine klassische kommunale Aufgabe“, erklärte CDU-Fraktionschef Dominik Morár. Das sieht seine Kollegin Tanja Verch von der Initiative Grüne Liste (IGL) genauso kritisch: „Die Kommunen erfüllen hier eine Aufgabe, für die sie im Grunde nicht zuständig sind. Und das in Zeiten klammer Kassen.“ Morár hält „den Einsatz öffentlicher Mittel für diesen Zweck für vertretbar“, gerade deshalb aber die vereinbarte Evaluation der Maßnahme für wichtig.
Bisher jedenfalls ist Neuhausen kein besonders ungesundes Pflaster. Laut Zahlen des Statistischen Landesamts lag die Mortalitätsrate im Jahr 2023, hochgerechnet auf die Vergleichsgröße von 100 000 Menschen, bei 1100; durchaus im Bereich zufälliger Schwankungen in Relation zum Landesschnitt von 920.