„Ein Medizinisches Versorgungszentrum eröffnet uns als Stadt nicht nur erweiterte Möglichkeiten, die medizinische Versorgung langfristig zu gewährleisten, sondern schafft zugleich für die Ärztinnen und Ärzte bessere Rahmenbedingungen, sich ganz auf ihre fachliche Tätigkeit zu konzentrieren“, sagte dazu Oberbürgermeister Bernd Vöhringer auf einer Pressekonferenz am Mittag, „wir sind dankbar, dass wir mit dem Klinikverbund Südwest einen kompetenten Partner für den Betrieb gewinnen konnten.“
Neues Zentrum zunächst am Krankenhaus angedockt
Ein MVZ ist eine ambulante Einrichtung, in der Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen gemeinsam arbeiten – vergleichbar mit einer größeren Gemeinschaftspraxis. Solche Zentren können von verschiedenen Trägern betrieben werden, zum Beispiel von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten oder auch gemeinnützigen Organisationen.
Der Klinikverbund Südwest betreibt bereits mehrere ambulante MVZ in Sindelfingen, unter anderem in den Bereichen Innere Medizin, Labormedizin, Radiologie und Onkologie. Nun soll das Angebot um die Fachrichtungen Allgemeinmedizin und Pädiatrie erweitert werden.
Stadt fragt Klinikum um Hilfe
„Die Stadt Sindelfingen ist mit dem Anliegen auf uns zugekommen“, sagt dazu Klinikverbund-Geschäftsführer Alexander Schmidtke, „das sehen wir als sinnvolle Maßnahme, die wir in enger und konstruktiver Kooperation mit der Stadt auf den Weg bringen möchten.“
Das MVZ wird zunächst am Sindelfinger Krankenhaus eingerichtet – wenn möglich bereits in den nächsten sechs bis zwölf Monaten. Nach dem geplanten Umzug der Kliniken Sindelfingen und Böblingen in das neue Flugfeldklinikum soll das Zentrum an einem anderen geeigneten Standort in Sindelfingen betrieben werden. Die Stadt unterstützt die Etablierung und den laufenden Betrieb des neuen MVZ mit bis zu 150 000 Euro pro Jahr, zunächst bis 2035 – so der Plan.
Die Stadt lockt Ärzte mit 100 000 Euro
Doch das ist nicht die einzige Initiative der Stadt Sindelfingen in puncto Ärzteversorgung. Man will zudem die Förderrichtlinien zur Ärzte-Ansiedlung verändern und stellt einen einmaligen, nicht rückzahlbaren Zuschuss bis zu 100 000 Euro in Aussicht: „Wir wollen insbesondere Haus- und Kinderärzte gewinnen, die in Sindelfingen dringend gebraucht werden“, sagte Bernd Vöhringer beim Pressegespräch. Dieses Vorhaben berät der Sindelfinger Gemeinderat ebenfalls am Dienstag.
„Lange Wartezeiten und Praxen, die keine neuen Patientinnen und Patienten mehr aufnehmen können, gehören leider zur Realität“, erläuterte Vöhringer beim Pressegespräch. „Sindelfingen soll durch unser Maßnahmenpaket für neue Ärztinnen und Ärzte attraktiver werden.“
Bereits seit Jahresbeginn 2024 unterstützt die Stadt die Niederlassung mit einem zinslosen Darlehen von bis zu 70 000 Euro. Die Verwaltung schlägt nun mit Blick auf die Wettbewerbssituation vor, dieses Fördermodell zu überarbeiten und künftig auf eine direkte Förderung in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses in Höhe von 100 000 Euro zu setzen. Wichtig dabei: Mit dem neuen Förderangebot will die Stadt nicht nur zusätzlichen ärztlichen Nachwuchs gewinnen, sondern insbesondere Praxisübernahmen bei altersbedingten Nachfolgen erleichtern.
Stadt macht Job der Kassenärztlichen Vereinigung
„Die ambulante Versorgung ist eigentlich Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg“, ergänzte Erster Bürgermeister Christian Gangl, „diese bescheinigt dem Planungsbereich Böblingen/Sindelfingen gute Versorgungsgrade – die Realität sieht unserer Wahrnehmung nach allerdings anders aus.“ Weshalb es hier auch noch zu Konflikten mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) kommen könnte.
Denn wenn sie keinen weiteren Kassensitz vorsieht, könnte sich auch kein Arzt neu niederlassen. „Das ist ein Problem“, betonte auch Bernd Vöhringer beim Pressegespräch. Dann müsste man in einen „engagierten Dialog“ mit der KV und dem Ministerium gehen – denn die Situation, von der Patienten täglich berichten, sei nun einmal nicht akzeptabel.
Interessierte Medizinerinnen und Mediziner können sich bei der Stadt Sindelfingen per Mail unter aerzte@sindelfingen.de oder unter Telefon 0 70 31 / 94-217 über die Fördermöglichkeiten informieren.
Klinikverbund Südwest
Struktur
Der Klinikverbund Südwest betreibt die Krankenhäuser in Böblingen, Sindelfingen, Herrenberg, Leonberg, Nagold und Calw. Derzeit laufen aus Kostengründen einige Reformprozesse, insbesondere die Häuser in Herrenberg und Calw müssen ihr Angebot in Zukunft verringern.
Flugfeldklinik
Auf dem Flugfeld bei Böblingen entsteht derzeit ein neues Großkrankenhaus. Eigentlich sollte der Neubau Ende 2026 fertig sein und 750 Millionen Euro kosten. Das ist aber nach der Insolvenz eines Planungsbüros beides nicht mehr zu halten. Nach der Fertigstellung werden die Krankenhäuser von Böblingen und Sindelfingen in den Neubau umziehen, die alten Standorte geschlossen und umgenutzt.