Der eigentlich friedliche Äthiopien-Cup in Waiblingen wird in diesem Jahr von Ärger überschattet. Am Ende verliert ein kleiner Verein sehr viel Geld. Und weit gereiste Fans fahren enttäuscht nach Hause.

Waiblingen - Auf dem Parkplatz stehen am Samstagnachmittag Autos aus den Niederlanden, Frankreich, der Schweiz und England. Taxis kommen im Minutentakt vor den Sportplätzen in Waiblingen an, entlassen ihre äthiopischen Fahrgäste. Auf dem FSV- und VfL-Gelände finden gerade die Halbfinals des Äthiopien-Cups statt: seit Mittwoch sind rund 700 Fußballer mit äthiopischen Wurzeln aus ganz Europa gegeneinander angetreten. Die letzten vier Mannschaften der ersten Liga kommen aus Köln und London, aus Norwegen und Holland.

 

Seit 16 Jahren gibt es das Turnier des äthiopischen Kultur- und Sportverbandes, das immer von einem anderer Verein ausrichtet wird. Diesmal wurde der Cup von Blue Nil Stuttgart organisiert, deswegen findet er in Waiblingen statt.

Beim Äthiopien-Cup ist Fußball die schönste Nebensache

Doch der Fußball ist für viele der insgesamt rund 10 000 Besucher die schönste Nebensache der Welt. „Der Äthiopien-Cup ist ein großer Treffpunkt“, sagt Eskender Kebele, der aus Frankreich angereist ist. Und für viele auch die Möglichkeit, sich der ehemaligen Heimat etwas näher zu fühlen.

Es riecht nach frisch geröstetem äthiopischem Kaffee, Teller mit Injeera – dem klassischen äthiopischen Fladenbrot – werden vorbeigetragen. Überall sitzen Menschen zusammen, trotz der Gluthitze wird es immer voller. Gab es schon Kreislaufprobleme? Die Rettungssanitäter schütteln mit den Köpfen.

Tumulte in der MHP-Arena wirken sich auf ganzen Cup aus

„Als Afrikaner haben wir damit keine Probleme“, sagt Tedla Mouz Beyene, Gründungsmitglied von Blue Nil Stuttgart und einer der Organisatoren. Nicht die Hitze bringt den Filderstädter in Wallung, es sind die Vorfälle in der Ludwigsburger MHP-Arena, die ihm sichtlich zu schaffen machen. Dort sollte an drei Abenden das Musikbegleitprogramm zum Cup stattfinden. Bei der ersten Veranstaltung in der Nacht zum Freitag war es zu Tumulten gekommen, offensichtlich hatten betrunkene eritreische Besucher randaliert und dabei unter anderem einen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes verletzt.

Daraufhin sind die zwei weiteren Veranstaltungen von der Stadt abgesagt worden – auch das Konzert mit Teddy Afro, dem absoluten Superstar aus Äthiopien. Bis Samstagmittag hätten sie versucht, eine andere Halle zu finden: „Aber es ist uns nicht gelungen. Wir sind geschlagen“, sagt Tedla Mouz Beyene, der die Entscheidung der Stadt nicht fair findet. Es habe am Freitag ein Gespräch mit dem Hallenmanager, der Stadt, der Polizei gegeben, aber ohne Erfolg. „Nur weil 20 betrunkene Leute Randale gemacht haben.“

Organisatoren haben mehr als 200.000 Euro verloren

Er räumt ein, dass auch sie als Veranstalter in besagter Nacht Fehler gemacht hätten – weil zu lange keine Band aufgetreten sei, seien die Besucher frustriert gewesen, hätten ihr Geld zurückhaben wollen. Er legt aber Wert darauf, dass nicht die Herkunft der Unruhestifter ausschlaggebend gewesen sei – Eritrea und Äthiopien haben sich jahrelang bekriegt, erst vor Kurzem wurde ein Friedensvertrag geschlossen.

Vielmehr macht er vor allem die Sicherheitskräfte für die Eskalation verantwortlich: „Wir haben Security für 2000 Besucher bezahlt. Es waren vielleicht 170 Leute da und die waren damit überfordert“, sagt Mouz Beyene, der einen Anwalt eingeschaltet hat und um Schadenersatz kämpfen möchte. Denn der kleine Verein mit seinen rund 60 Mitgliedern bleibt wegen der abgesagten Veranstaltungen auf Kosten von mehr als 200 000 Euro sitzen.

Tausende sind extra wegen Teddy Afro nach Stuttgart gereist

Verlierer sind die tausend Fans, die nur wegen Teddy Afro aus allen Ecken Europas angereist sind. Geknickt sitzen etwa Salam und ihre Freundin im Gras. Sie sind für einen Tag aus London gekommen, um das Konzert zu besuchen. Jetzt wollen sie abends nach Stuttgart gehen, trotzdem ein bisschen feiern und die Augen nach Teddy offenhalten: „Vielleicht finden wir ihn.“ Dass es wegen der Konzertabsage zu Tumulten kommt, glaubt keiner: „Es werden sehr viele Menschen sehr traurig sein. Ein friedlicheres und liebenswürdigeres Volk habe ich noch nicht kennengelernt“, sagt Frank Bewer, der mit einer Äthiopierin verheiratet ist und auch in dem Land gelebt hat. „Äthiopier streiten nicht“, meint auch Thomas Rouf, der ebenfalls eine Äthiopierin zur Frau hat.

Tatsächlich bleibt es am Samstagabend in Waiblingen ruhig – die Polizei muss nur vorbeischauen, weil die Veranstaltung länger geht als geplant. Und ganz nebenbei gewinnt die Mannschaft aus London den Äthiopien-Cup.