Die AfD eilt von Wahlerfolg zu Wahlerfolg, aber Regierungsverantwortung will die Partei nicht übernehmen. Warum das so ist, erklärt Parteichef Meuthen im Interview.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen hat sich ungeachtet der jüngsten Wahlerfolge strikt gegen eine Regierungsbeteiligung seiner Partei ausgesprochen. Der Wirtschaftsprofessor, der gemeinsam mit Frauke Petry die AfD führt, will aber nicht warten, bis seine Partei absolute Mehrheiten holt.

 
Herr Meuthen, es gibt erste Stimmen aus der Union, die sich für eine Zusammenarbeit mit der AfD aussprechen. Können Sie sich vorstellen, mit CDU und CSU zu koalieren?
Ich weiß nicht, was 2021 sein wird. Aber derzeit stellt sich diese Frage ganz sicher nicht. Wir wollen unsere Inhalte durchsetzen. Wenn wir das in einer Koalition könnten, spräche nichts gegen eine Regierungsbeteiligung. Aber als kleiner Juniorpartner einer deutlich größeren Partei gelingt das kaum. Die jüngste Geschichte der Bundesregierungen erzählt dazu ja vieles.
Wollen Sie demnach mit dem Regieren warten, bis Sie eine absolute Mehrheit haben?
Nein, es würde genügen, wenn wir der stärkere Partner einer Zweier-Koalition sein könnten. Wer weiß, vielleicht holen wir ja demnächst mehr Prozentpunkte mehr als etwa die CDU. In Mecklenburg-Vorpommern ist uns das ja bereits gelungen.
Hat Ihre Zurückhaltung nicht auch damit zu tun, dass die AfD als klassische Protestpartei in der Sekunde entzaubert würde, in der sie Verantwortung übernehmen müsste?
Ich halte nichts von dem Begriff Protestpartei. Wir sind eine Oppositionspartei, die auch davon lebt, dass die regierenden Parteien versagen. Das bringt uns automatisch in eine starke Position. Unter einer Protestpartei verstünde ich eine Partei, die nur sagt, wogegen sie ist. Das tun wir nicht. Wir haben ein Parteiprogramm und sagen damit klar, was wir wollen.
Sehen Sie in CDU und CSU naheliegende Koalitionspartner für die AfD?
Sicherlich gibt es Schnittmengen. Sie sind derzeit aber zu klein, um eine Zusammenarbeit in Erwägung zu ziehen.
Ist die AfD selbst auf dem Weg zur Volkspartei?
Ja. Wir haben das schon gesagt, als wir in Umfragen noch bei fünf Prozent lagen. Damals wurden wir dafür lächerlich gemacht. Mittlerweile sieht das anders aus. Wir haben in Baden-Württemberg die SPD hinter uns gelassen und in Mecklenburg-Vorpommern die CDU. Da kann man den Anspruch erheben, Volkspartei zu sein. Die Wahlergebnisse rechtfertigen das. Durch den Linkskurs der Union unter Frau Merkel ist eine Lücke entstanden, die wir als konservativ-freiheitliche Kraft füllen.
Während Sie sich bequem in der Systemopposition eingerichtet haben, nimmt die Radikalisierung in der Gesellschaft zu. Macht Ihnen das als Vertreter des bürgerlich-konservativen Flügels in der AfD nicht Angst?
Ich beobachte diese Entwicklung mit großer Sorge. Aber dass sich die politischen Debatten in unserem Land stark vereinfacht und auch radikalisiert haben, kann man nicht der AfD zum Vorwurf machen.
Aber gerade die AfD trägt doch zur Radikalisierung bei, indem sie immer wieder mit ausländerfeindlichen Parolen und rechtsextrem besetzten Begriffen hantiert. Wie zum Beispiel Frau Petry, die in der Debatte um Zuwanderung das Wort „völkisch“ einführt.
Ich kann Ihnen nur raten, das entsprechende Interview einmal genau zu lesen. Der Fragesteller hat die Vokabel eingeführt, und Frau Petry hat sie sich nicht zu eigen gemacht. Ich will das nicht mehr weiter kommentieren.
Die jüngsten Wahlergebnisse stehen in gewissem Widerspruch zu dem, wie man die AfD ansonsten wahrnimmt, auch mit Blick auf ihre reale Arbeit in den Parlamenten. Da gibt es gerade in Baden-Württemberg eigentlich nur Streit und persönliche Querelen. Sind Sie manchmal selbst überrascht, dass dies den Wählern offenbar völlig egal ist?
Ich bin ganz anderer Meinung. Wir machen eine vernünftige parlamentarische Arbeit, aber die geschieht vergleichsweise geräuschlos. Schauen Sie sich einmal die Vielzahl kleiner parlamentarischer Anfragen von AfD-Abgeordneten im Landtag an. Dafür, dass wir Parlamentsnovizen sind, haben wir solide in die Arbeit hineingefunden.
Sagen wir: Sie haben sich solide gestritten und wollen sich nun wieder vertragen. Wie ist der Stand der Fusionsbemühungen der beiden AfD-Fraktionen? Eine neue Fraktionsspitze ist gewählt, Sie sind der Vorsitzende. Landtagspräsidentin Muhterem Aras hat Sie aufgefordert, die Fusion möglichst schnell abzuschließen. Wie lange brauchen Sie noch?
Ich verstehe Frau Aras und die Landtagsverwaltung, muss aber um Verständnis bitten, dass wir uns nicht von außen Fristen setzen lassen. Wir wollen als AfD im Landtag gründlich und sorgfältig vorgehen. Dazu brauchen wir zum Beispiel eine neue Satzung. Wenn wir jetzt aus Zeitdruck schludrig arbeiten und uns nach zwei Monaten wieder fetzen, wäre nur dem politischen Gegner gedient. Das wollen wir natürlich nicht.
Lassen Sie sich nicht schlicht deshalb Zeit, um mit den beiden Fraktionen den von ihnen beantragten Untersuchungsausschuss zum Linksradikalismus durchzusetzen sowie neuerdings die Enquetekommission zum Islamismus?
Es zeichnet sich ab, dass die anderen Fraktionen im Landtag alles daransetzen, den Ausschuss zu verhindern. Das dürfte auch für die Enquetekommission gelten. Insofern ist der Zeitpunkt unserer Vereinigung ganz unmaßgeblich.
Aber Sie missbrauchen doch, aus Ihrer Krise heraus, das Parlamentsrecht, wonach zwei Fraktionen jederzeit einen Ausschuss oder eine Enquete durchsetzen können. Das passt Ihnen, weil es die AfD im Landtag gerade doppelt gibt.
Ich sehe das überhaupt nicht so. Es geht darum, ob ein Ausschuss oder eine Enquete sinnvoll sind oder nicht. Aus unserer Sicht sind sie in der Sache richtig und notwendig. Deshalb nutzen wir die Chance, sie jetzt auf den Weg zu bringen. Der Vorwurf, wir hätten die Fraktion gespalten, um anschließend Spielchen zu treiben, ist absurd.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Werden Sie 2017 für den Bundestag kandidieren?
Ich habe immer gesagt, dass ich beabsichtige, in Stuttgart für die Fraktion zu arbeiten, wenn das gewünscht wird. Danach sieht es im Moment aus. Es gibt natürlich auch Kräfte in der Partei, die mir sagen, ich würde in Berlin sehr stark gebraucht. Das will ich nicht verhehlen. Ich gehe aber davon aus, dass ich in Stuttgart bleibe.