Jörg Meuthen stimmt in die Islamkritik seiner Partei ein. Er nimmt aber in Deutschland lebende Muslime in Schutz, die nicht mit Radikalen in einen Topf geworfen werden wollen.

Stuttgart - Herr Meuthen, Ihre Parteifreunde Beatrix von Storch und Alexander Gauland haben jüngst mit islamkritischen Äußerungen von sich reden gemacht. Teilen Sie ihren Ansatz, der Islam sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar?

 

Meuthen: Ich teile die Kritik der Kollegen über weite Strecken. Allerdings muss jeder seine Worte sorgsam wählen. Gewisse zeitgeistige Strömungen im Islam tendieren zu einer krassen Radikalisierung. Denken Sie an den Salafismus oder den militanten Wahabismus, der von Staaten wie Saudi-Arabien und Katar gesteuert wird. Diese Strömungen sollen auch nach Deutschland getragen werden. Es ist unübersehbar, dass diese Strömungen inkompatibel mit unserem Grundgesetz sind. Das Scharia-System geht mit unserem Rechtssystem nicht zusammen. Oder nehmen sie das Bild der Frau, das diese Ausprägungen des Islam zeichnen. Unser Umgang mit dem weiblichen Geschlecht ist glücklicherweise ein anderer.

Was folgt daraus für die AfD?

Wir sagen klar, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Wir sagen aber genauso klar, dass zu Deutschland sehr wohl Millionen Menschen muslimischen Glaubens gehören, die gut integriert sind und unsere Gesetze und Rechtsordnung achten.

Signalisiert die AfD nicht auch diesen Menschen, dass man sie eigentlich nicht haben will?

Ich glaube, am meisten entsetzt über radikale Strömungen im Islam sind gerade Muslime, die ganz friedlich bei uns leben. Dieser Tage habe ich eine E-Mail bekommen von einem alten Schulfreund türkischer Herkunft. Er schreibt mir, er sei der AfD dankbar dafür, dass sie das Thema auf die Tagesordnung bringt. Er wolle nämlich mit den Radikalen nicht in einen Topf geworfen werden.

Haben Sie ihm einen Mitgliedsantrag geschickt?

Nein, aber er wäre hochwillkommen. Wir sind grundsätzlich für alle Menschen offen, nur mit Radikalen haben wir ein Problem.

„Ich sehe keinen unmittelbaren gesetzgeberischen Handlungsbedarf“

Welche konkreten Forderungen erheben Sie?

Wir wollen die Religionsfreiheit nicht in Zweifel ziehen. Muslime sollen ihre Religion in Deutschland leben können. Dafür gibt es Moscheen. Wir wehren uns aber dagegen, dass immer mehr Moscheen gebaut werden, die etwa aus Saudi-Arabien finanziert werden und in denen dann ein militanter Islam gepredigt wird.

Gibt es weitere Forderungen?

Ich sehe keinen unmittelbaren gesetzgeberischen Handlungsbedarf, wende mich aber gegen das schleichende Einsickern einer falschen Rücksichtnahme. Nehmen sie die Schweinefleisch-Debatten in Kita-Kantinen oder den Streit um Schwimm-Unterricht an Schulen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine falsch verstandene Form der Anpassung hineingeraten. An bestimmten Punkten müssen wir klar sagen, nein, das machen wir nicht.

Wie wollen Sie als Chef der AfD-Fraktion im Landtag damit umgehen, dass Sie von allen anderen voraussichtlich ignoriert werden?

Wir sind freundliche und offene Menschen. Als solche sind wir gesprächsbereit gegen jedermann. Ich war in der vergangenen Woche bei Herrn Klenk, dem Landtagspräsidenten. Das war ein ganz angenehmes Gespräch. Aber es gibt andere, die betrachten uns als den quasi Gottseibeiuns.

Sie werden voraussichtlich Oppositionsführer Landtag. Mit welchem Selbstverständnis gehen Sie an die Arbeit?

Das Recht, in Debatten als erster auf die Regierung antworten zu können, will ich nutzen. Wir haben jetzt das Parlament als öffentliches Sprachrohr, das ist eine große Chance für die AfD. In der Sache werden wir eine harte Opposition machen, weil wir zu wichtigen Themen auf unterschiedlichen Positionen stehen. Wir werden uns den anderen Fraktionen nicht anbiedern und keine Kumpanei machen. Das ist das eine. Das andere ist der Umgang miteinander. Ich erwarte, dass man anständig miteinander umgeht. Im Wahlkampf bin ich teilweise erschrocken. Herr Kretschmann hat uns noch am Wahlabend abgesprochen, eine demokratische Partei zu sein. Mal sehen, ob er diesen Duktus immer noch verfolgt.

„Eine Staatsverachtung liegt uns fern“

Der Programmentwurf, den die AfD auf dem Bundesparteitag in Stuttgart diskutieren wird, ist in Teilen von einer gewissen Staatsverachtung geprägt. Es hagelt Kritik gegen Parteien und Parlamente. Wollen Sie ein anderes politisches System?

Eine Staatsverachtung liegt uns fern. Wir verachten weder die Parlamente noch die anderen Parteien. Aber wir haben ein anderes Demokratieverständnis, indem wir auf die direkte Demokratie setzen. Wir streben sozusagen eine Schweizerisierung an – das Volk soll über wichtige Fragen entscheiden können. In der Schweiz gibt es auch Parlamente. Die haben aber weniger zu sagen, weil das Volk mehr zu sagen hat. Es ist ein Unding, dass die Bürger bei uns in Grundsatzfragen nicht direkt und unmittelbar entscheiden können. Niederländer und Franzosen durften etwa über die EU-Verfassung abstimmen, die Deutschen nicht. Natürlich bringen Volksabstimmungen eine gewisse Selbstentmachtung des Parlaments mit sich. Aber gerade dafür stehen und werben wir.

Die AfD sei die Partei des „gesunden Menschenverstands“, heißt es im Leitantrag von Bundesprogrammkommission und Bundesvorstand für das Programm. Was heißt das für Sie persönlich?

Nehmen sie zum Beispiel die Euro-Rettungspolitik. Damit habe ich mich als Wirtschaftswissenschaftler intensiv beschäftigt. Zwischen den Positionen der Wissenschaft und dem, was der Stammtisch aus dem Bauch heraus fordert, gibt es einen relativ hohen Deckungsgrad. Die politischen Eliten folgen aber einer ganz anderen Agenda. Die kommen dann mit dem Fraktionszwang und hauen das Ding in 48 Stunden durch. Das widerspricht dem gesunden Menschenverstand.

Bereitet es Ihnen Bauchschmerzen, dass manche in Ihrer Partei statt vom gesunden Menschenverstand lieber vom gesunden Volksempfinden zu sprechen scheinen?

Ich habe kein Problem mit dem Begriff Volksempfinden, solange man ihn patriotisch interpretiert. Wenn man ihn dagegen völkisch auslegt, reagiere ich hochsensibel. Bauchgrimmen bereitet mit eher die mögliche Vereinnahmung des Begriffs gesunder Menschenverstand. Das ist ja ein ganz schwammiger Begriff. Damit kann man alles und jedes für sich reklamieren. Es ist gut, dass wir auf unserem Programmparteitag auch um solche Begriffe ringen können. Die AfD braucht einen klaren Kompass. Völkisch-nationale Positionen akzeptiere ich nicht. Die AfD muss eine moderne konservative Partei sein, weltoffen und freiheitlich. Dafür stehe ich.

In Ihrer Partei scheint es eine Art Aufgabenteilung zu geben. Frau von Storch und Frau Petry lassen es gerne krachen. Ihr Stil ist das erkennbar nicht. Sie müssen aber immer wieder erklären, dass die AfD gar nicht so schlimm ist, wie sie manchmal zu sein scheint. Nervt Sie das?

Meinen Sie, ich sollte es auch mal krachen lassen?

Vielleicht würde es helfen.

Nein, im Ernst. Wir haben in der AfD keine abgesprochene Rollenverteilung. Jeder folgt einfach seinem Naturell. Meinem Naturell entspricht es, mich eher differenziert und zurückhaltend zu äußern. Im Inhalt sind die Unterschiede zwischen den Verantwortlichen an der Parteispitze nicht so groß.