Die AfD hat am nächsten Sonntag gute Chancen, in den Bundestag einzuziehen. Möglicherweise wird sie sogar stärkste Oppositionskraft. Doch Deutschland hält eine AfD im Bundestag aus, meint Politikredakteur Roland Pichler.

Berlin - Nach dieser Wahl wird vieles anders sein. Es gibt Leute, die sprechen von einem Einschnitt. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird wohl mit der AfD eine Rechtsaußen-Partei in den Bundestag einziehen. Die Demoskopen lassen daran jedenfalls keine Zweifel. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die in der Eurokrise gegründete Alternative für Deutschland die stärkste Oppositionskraft wird. Das wäre eine Zäsur. Schon jetzt wird die Befürchtung laut, dass die Rechtspopulisten im Parlament das Bild von Deutschland verändern. Die Grünen warnen sogar vor dem Einzug der Nazis. Doch geht es nicht eine Spur kleiner? Seit Jahren behandeln die anderen Parteien die AfD als Schmuddelkind, mit dem man nichts zu tun haben will. Wenn es aber eine Erfahrung seit Gründung der AfD im Jahr 2013 gibt, dann die: Wer die AfD ausgrenzen will, spielt ihr in die Hände.

 

Empörung reicht als politische Abwehr nicht aus

Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Es gibt zahlreiche Äußerungen von AfD-Politikern, die sind menschenverachtend und rassistisch. Doch Empörung reicht zur politischen Abwehr nicht aus. Wenn die AfD am kommenden Sonntag ins deutschen Parlament kommt, zeigt dies, dass viele Menschen der Ansicht sind, dass die im Bundestag vertretenen Parteien sie nicht richtig vertreten. Über die Gründe sollte dieses Land nachdenken. Es wäre falsch, aus der Wahl einen Betriebsunfall der Geschichte zu konstruieren. Die Demokratie in Deutschland ist gefestigt genug, um rechte Parteien im Parlament zu ertragen – und sie dort argumentativ zu stellen.

Ob einst die Republikander oder die NPD in den Landtagen – Deutschland hat das bisher ganz gut ausgehalten. Natürlich bietet sich für die AfD in der Bundespolitik eine große Bühne. Das Ausland verfolgt die Veränderungen genau. Dennoch ist zu mehr Gelassenheit zu raten. Schließlich gibt es rechtspopulistische Strömungen auch in anderen Ländern wie Österreich und den Niederlanden. Von einer Volkspartei ist die AfD zudem weit entfernt.

Unklug wäre es, die Neuen von vornherein abzukanzeln. Im Bundestag kursieren Gedankenspiele, dass wichtige Ausschüsse auf keinen Fall von AfD-Politikern geleitet werden sollen. Das wäre der falsche Weg. Falls die AfD das höchste Ergebnis aller Oppositionsparteien erzielt, sollte sie dieselben Rechte erhalten, die anderen Parteien beanspruchen. In der ablaufenden Wahlperiode saß eine Linken-Politikerin dem Haushaltsauschuss vor – sie machte das recht ordentlich. Warum sollte das künftig kein AfD-Politiker sein? In Ausschüssen und im Plenum entscheiden Mehrheiten. Und von einer Mehrheit ist die AfD weit entfernt. Die etablierten Parteien sollten ihr keinen Vorwand liefern, um sich zum Märtyrer zu stilisieren.

AfD hat bei ihren Wählern riesige Erwartungen geschürt

Die AfD hat bei ihren Anhängern riesige Erwartungen geschürt. Sie muss nun zeigen, wie sie diese einlöst. Obwohl sie bereits in 13 Landtagen vertreten ist, gleicht sie in ihrem Auftreten einer außerparlamentarischen Bewegung. Provokationen, Pöbeleien und Kritik an den gesellschaftlichen Eliten gehört zu ihrem Markenkern. Doch mit dem Einzug in die Parlamente werden die Abgeordneten selbst Teil der Eliten. Sie erhalten Diäten, nutzen Dienstwagen und profitieren vom Mitarbeiterstab. Das macht es schwerer, über „die da oben“ zu schimpfen. Hinzu kommt, dass die Partei noch nicht zusammengefunden hat. Die Führung ist zerstritten, was im Wahlkampf sorgsam ausgeblendet wird.

Der Bundestag bleibt auch mit der AfD handlungsfähig. Von einer Opposition wird verlangt, Alternativen zur Regierungspolitik aufzuzeigen. Daran wird die AfD gemessen werden. Die Aufgabe aller Parlamentarier ist es, Grenzüberschreitungen nicht zu dulden. Hetze und die Verhöhnung von Minderheiten müssen im Bundestag auf entschiedenen Widerstand stoßen. Die deutsche Politik ist dafür gut gerüstet.