Die AfD pocht gern auf Regeln. Im Bundestag bricht sie sie bewusst. Besonders verletzt reagiert die Partei, wenn sie selbst wähnt, Opfer eines Regelverstoßes geworden zu sein – gerade im Bundestag.

Berlin - Regeln und Respekt, das sind Werte, auf die sich die AfD gerne beruft. Besonders verletzt reagiert die Partei, wenn sie selbst wähnt, Opfer eines Regelverstoßes geworden zu sein – gerade im Bundestag. Am Donnerstag hatte die Sitzung, die später wegen der Krisengespräche von CDU und CSU unterbrochen wurde, gerade begonnen, als sich der Bundestagspräsident, zweiter Mann im Staat und Vertreter des Verfassungsorgans, veranlasst sah, die Abgeordneten an ihre Verantwortung zu erinnern.

 

Der Grund für Wolfgang Schäubles ernste Ansprache war ein neuerlicher Regelverstoß der AfD – nämlich jenes schweigende Gedenken, das der Abgeordnete Thomas Seitz am vergangenen Freitag für das getötete Mädchen Susanna überraschend zelebriert hatte. Dies dürfe und könne ein einzelner Abgeordneter nach der Geschäftsordnung nicht, so Schäuble. Seitz hatte nicht versucht, ein gemeinsames Gedenken auf die Tagesordnung zu setzen, sondern am Pult demonstrativ geschwiegen – worauf ihn die Vizepräsidentin Claudia Roth nach mehreren Ermahnungen des Pultes verwies. Minuten später verbreitete die AfD-Fraktion ein Video davon und warf den anderen Abgeordneten Gleichgültigkeit vor. Schäuble nannte dies eine Inszenierung. Er sagte, Claudia Roth sei in der Folge so beleidigt und bedroht worden, dass Polizeischutz diskutiert worden sei.

„Was wir hier sagen, hat Folgen“

Harter Streit, so sagte Schäuble, sei im Parlament natürlich erlaubt. „Es geht nur über Streit.“ Aber es handele sich um einen Streit nach Regeln und demokratischen Verfahren. In der dann folgenden Passage musste Schäuble seine Rede mehrfach wegen Zwischenrufen aus der AfD-Fraktion unterbrechen, welche ihm hinterher mangelnde Neutralität vorwarf. „Es gehört zu unserer Verantwortung, dass wir aus der Erfahrung unserer Geschichte lernen“ – nach diesem Satz musste Schäuble einen Ordnungsruf erteilen. Er sprach weiter. „Was wir hier sagen und wie wir uns verhalten, hat Folgen für die öffentliche Debatte auch in unserer Gesellschaft. Wir müssen Maß halten, um unser politisches und gesellschaftliches Klima nicht zu vergiften. Zum Wohle des deutschen Volkes, das zu vertreten wir beauftragt sind.“ Alice Weidel, die AfD-Fraktionsvorsitzende, cremte sich währenddessen die Hände ein.