Hinter dem Schritt des AfD-Chefs ins Europaparlament stehe „strategische Zielsetzung“, dort will er eine national-konservative Fraktion unter Führung der AfD aufbauen. Kritik am Vorgehen Meuthens kommt vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, sagt Jörg Meuthen. Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Stuttgarter Landtag wechselt überraschend ins Europaparlament. Dort wird er den Sitz übernehmen, der nach dem Wechsel von Beatrix von Storch in den Bundestag frei geworden ist. Auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz erklärte Meuthen: „Man muss im Leben die eigenen Schritte stets mit Bedacht setzen. Das fällt an Weggabelungen manchmal sehr leicht und manchmal auch sehr schwer. Ich stand in den vergangenen Wochen an solch einer Weggabelung und es fiel mir schwer, wie nur selten, den eingeschlagenen Weg zu entscheiden.“

 

Der Noch-Fraktionschef wiederholte in Stuttgart mehrere Male, dass sein Schritt durchaus Sinn ergebe. Alles habe eine „langfristige strategische Zielsetzung“. Die AfD sei in Deutschland inzwischen im Bundestag und in 14 Landesparlamenten mit schlagkräftigen Fraktionen vertreten. Lediglich im Europaparlament sei die Alternative für Deutschland inzwischen nur noch mit lediglich einem Mandat unterrepräsentiert. Meuthen hofft, dass sich dieser Zustand nach der Europawahl Anfang 2019 ändern werde. Er wolle im Straßburger Parlament dafür arbeiten, dass sich die national-konservativen Parteien Europas danach zu einer Fraktion zusammenschließen – unter der Führung der AfD. Er spekuliert, dass sich etwa auch die FPÖ aus Österreich unter diesem Dach sammelt.

Meuthen will trotzdem vorerst Landtagsabgeordneter bleiben

Meuthen selbst will trotz seines neuen Mandates für „einige Zeit“ Landtagsabgeordneter bleiben. Wie lange genau, wollte oder konnte er nicht sagen. Aber er unterstrich, dass beide Diäten miteinander verrechnet würden. Mehr noch: Er werde als Mitglied des Europaparlamentes mit 16 000 Euro Bruttogehalt in Zukunft wesentlich weniger verdienen als jetzt als Fraktionsvorsitzender mit 25 000 Euro. Auch einen Nachfolger hat Meuthen schon im Auge. Er habe der Fraktion den 62 Jahre alten Bernd Gögel als neuen Vorsitzenden vorgeschlagen – einer seiner bisherigen Stellvertreter.

Der müsse aber noch von den AfD-Abgeordneten bestätigt werden. „Er ist durch sein ausgleichendes Wesen genau der Richtige für unsere Fraktion“, erklärte Meuthen seine Wahl. Das ist ein kaum verdeckter Wink auf die ständigen Streitereien unter den AfD-Vertretern im Stuttgarter Landtag. Die bisweilen nervenaufreibenden Schwierigkeiten, die Faktion zusammenzuhalten, seien aber nicht der Grund gewesen, nun nach Brüssel zu gehen, versicherte er. Im selben Atemzug erklärte Jörg Meuthen, im Dezember wieder für das Amt des Bundesvorsitzenden der AfD zu kandidieren.

Kritik kommt von Kretschmann

Er werde sich also nicht völlig aus der deutschen Politik zurückziehen. Beobachter werten diesen Schritt als deutlichen Hinweis darauf, dass Meuthen bei der Bundestagswahl 2021 den Sprung von Brüssel nach Berlin wagen will.

Kritik am Abgang Meuthens kam vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten. Dies sei ein „merkwürdiger Umgang mit dem Wählerwillen“, sagte Winfried Kretschmann. „Herr Meuthen führt hier große Reden, und jetzt ist er nicht so richtig gelandet und geht nach Europa.“ Mit Blick auf die Doppelfunktion in zwei Parlamenten sagte der Grüne Kretschmann: „Sie [die AfD-Politiker] werfen anderen vor, dass sie den Kragen nicht voll bekommen, aber irgendwie verwechseln sie den anderen mit sich selber.“