Die AfD hat verlangt, dass eine Liste über Künstler ohne deutschen Pass in Baden-Württembergs staatlichen Kulturbetrieben angefertigt wird. Dafür hagelt es Kritik von allen Seiten.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Die AfD steht für ihre Forderung, die staatlichen Kulturbetriebe in Baden-Württemberg auf ihren Anteil an Migranten hin zu durchleuchten, von unterschiedlichen Seiten massiv in der Kritik. Die anderen Landtagsfraktionen zeigen sich entsetzt über die Anfrage der AfD, die sich für die Staatsangehörigkeiten der nicht-deutschen Künstler in Ballettkompanien, Opernhäusern und Theatern interessiert.

 

Die kulturpolitischen Sprecher der SPD und FDP werden in ihrer Wortwahl besonders deutlich. „Diese Initiative der AfD zeigt einmal mehr, wes Geistes Kind die Partei ist“, sagt der SPD-Abgeordnete Martin Rivoir. Es gehe ihr „einzig und allein um das Schüren von üblen Stimmungen“ gegen Migranten. Dafür sei sie sich auch nicht zu schade, international renommierte Kultureinrichtungen ins Visier zu nehmen. „Das hat mit parlamentarischer Sacharbeit null zu tun, sondern ist bloß noch schäbig und verabscheuungswürdig“, sagt Rivoir.

Ähnliche Worte findet Nico Weinmann von den Freien Demokraten: „Ich halte die Anfrage der AfD für einen Affront gegen die Kulturschaffenden im Land und fühle mich beklemmend erinnert an die widerwärtigen nationalsozialistischen Reinigungsprozesse in der nationalen Kulturszene.“ Unter dem Deckmantel der Nachwuchssicherung würden hier Zahlen erhoben, „die irrelevanter nicht sein könnten.“

Auch Stuttgarts OB meldet sich zu Wort

„Eine typische AfD-Anfrage“, sagt Julia Philippi, die kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Landtag, „viele Anträge der AfD sind in diesem Stil gestellt.“ Häufig gehe es der Partei darum, Flüchtlingshelfer zu diskreditieren oder das Thema Migration zu instrumentalisieren. Sie ist gespannt auf die Antwort des Kunstministeriums.

Manfred Kern von den Grünen teilt die Kritik. „Die Freiheit der Kunst ist ein ganz zentraler Bestandteil der offenen, demokratischen Gesellschaft“, sagt er. Wer daran Zweifel säen wolle, säge an den Grundfesten des gesellschaftlichen Miteinanders. „Die Anfragepraxis der AfD offenbart nicht zum ersten Mal ein tief nationalistisches und reaktionäres Weltbild“, sagt Kern. Dafür gebe es im baden-württembergischen Landtag keinen Platz.

Auch Stuttgarts grüner OB hat sich in dem Kontext zu Wort gemeldet und findet eine klare Sprache für den AfD-Vorstoß. „Ich schätze die Kunst und die Künstlerinnen und Künstler, ich schaue doch nicht danach, wer woher kommt. Wir dürfen nicht zulassen, dass Kultur und Gesellschaft nach deutsch und nicht-deutsch unterteilt werden“, sagt Fritz Kuhn. Er nennt die Anfrage ein Alarmsignal. Es sei ein Armutszeugnis, wie sich die AfD auf diese Weise gegen das Staatstheater stelle.

Gewerkschaft empfiehlt juristische Auseinandersetzung

Gewerkschaften verurteilen das Vorgehen der AfD ebenfalls. Cuno Brune-Hägele, der Geschäftsführer von Verdi in Stuttgart, ist „entsetzt über diese offen rassistische Anfrage der AfD.“ Dies sei eine gezielte Provokation in übelster Tradition. Wer den Pass zur Qualitätsstufe erhebe und von einer Priorität „deutscher Werke“ fasele, zeige, wessen Geistes Kind er ist.

Martin Gross, der Verdi-Landesbezirksleiter, ist sogar der Auffassung, dass solche Listen gar nicht erst erstellt werden dürften. „Auch ohne die Nennung einzelner Namen wird mit so einem gezielten Vorgehen genau das Klima geschaffen, das direkt zu Gewalttaten führen kann“, sagt er. Seine Empfehlung: „Auf eine juristische Auseinandersetzung mit der AfD-Fraktion, ob eine solche Auskunftspflicht für die staatlichen Bühnen besteht, würden wir es ankommen lassen.“

Auch die Staatstheater Stuttgart selbst haben sich noch mal deutlicher zu der AfD-Anfrage positioniert. „Die Anfrage der AfD spricht für sich, sie entstellt sich gewissermaßen selbst zur Kenntlichkeit“, sagt Marc-Oliver Hendriks, Geschäftsführender Intendant. „Wollte man sie näher betrachten, führte dies wohl zu der Überlegung, was überhaupt der künstlerische oder kunstpolitische Erkenntnisgewinn aus ihrer Beantwortung sein könnte?“ Es falle ihm schwer, dem „ein edles Motiv zu unterstellen.“

Das Kunstministerium hatte zugesichert, die Anfrage der AfD fristgerecht zu beantworten, lässt jedoch offen, in welchem Detailgrad das geschehen wird. Die Staatstheater Stuttgart, mit ihren drei Sparten Oper, Ballett und Theater und über tausend Mitarbeitern der größte Kulturbetrieb im Land, leisten dem Ministerium Folge, was intern nicht unumstritten war. Manche hatten sich gewünscht, die Staatstheater hätten schon früher klare Kante gegen den in ihren Augen rassistischen AfD-Vorstoß gezeigt.