AfD in den Kreistagen Die Brandmauer hat nur wenige Risse
Auf der kommunalen Ebene möchte die AfD die Brandmauer gegen sich zum Einsturz bringen. In den Kreisparlamenten in Baden-Württemberg ist ihr Erfolg dabei bisher mäßig.
Auf der kommunalen Ebene möchte die AfD die Brandmauer gegen sich zum Einsturz bringen. In den Kreisparlamenten in Baden-Württemberg ist ihr Erfolg dabei bisher mäßig.
Was sonst feierlich und im großen Einvernehmen über die Bühne geht, hat im Kreistag des Zollernalbkreises diesmal für mächtig Ärger gesorgt. Sogar der Balinger Bundestagsabgeordnete Robin Mesarosch meldete sich nach der konstituierenden Sitzung zu Wort: Die Mehrheit habe rücksichtslos und geschichtsvergessen entschieden, schimpfte der SPD-Politiker. Sein Parteifreund Martin Rosemann diagnostizierte gar einen Dammbruch. „Zum wiederholten Mal zeigt sich, dass es von Seiten der CDU keine Brandmauer mehr gibt“, erklärte der Bundespolitiker aus Tübingen.
Zuvor hatte der Kreistag in geheimer Abstimmung den AfD-Fraktionschef Hans-Peter Hörner zum dritten Stellvertreter des Landrats gewählt. Als drittstärkste Fraktion im Zolleralb-Kreistag folgt diese Besetzung dem Gewohnheitsrecht. Dennoch war die Wahl, die mutmaßlich nur mit den Stimmen von CDU und Freien Wählern gelang, für die AfD ein Erfolg. Politisch verfolgt sie eher bundesweite Interessen. Doch auf der kommunalen Ebene will sie die Brandmauer zum Einsturz bringen, mit der die Parteien des demokratischen Spektrums eine Zusammenarbeit mit ihr verweigern. Dabei besitzen Personalentscheidungen – auch wenn es nur um die stellvertretende Sitzungsleitung im Kreistag geht – oberste Priorität.
In zehn der 35 Landkreise in Baden-Württemberg herrscht eine Konstellation wie im Zollernalbkreis. Dort hat der Wählerwille die AfD bei der Kommunalwahl im Juni jeweils zur drittstärksten Kraft gemacht hat. Demnach müssten ihr also in allen diesen Landkreisen einer der meist drei Stellvertreter-Posten zufallen. Doch in den wenigsten Kreistagen wurde das von der Mehrheit so gesehen. Eine Abstimmung konnte die AfD nur noch in Hohenlohe gewinnen. Anton Baron, derzeit AfD-Fraktionschef im Landtag, erhielt 28 von 43 Stimmen, hatte aber auch keinen Gegenkandidaten.
Andernorts hält die Brandmauer. Diese Erfahrung hat unter anderem Emil Sänze, der Co-Landesvorsitzende der AfD, gemacht. Als er sich vom Rottweiler Kreistag zum dritten Stellvertreter von Landrat Wolf-Rüdiger Michel (CDU) wählen lassen wollte, erhielt er in geheimer Abstimmung gerade mal sieben Stimmen. Gewählt wurde Ralf Ulbrich von der viertplatzierten SPD. Er erhielt 37 Stimmen. Ihm habe man das Amt eher zugetraut, sagte ein Kreisrat. Bei der Wahl zum vierten Stellvertreter, den es in Rottweil zudem noch gibt, trat Sänze gegen den Grünen Hubert Nowack gar nicht mehr an.
Ebenso erging es seinem Landtagskollegen Uwe Hellstern im Kreistag von Freudenstadt. Er unterlag klar dem Kreisrat Gerhard Gaiser von der viertplatzierten SPD. Außer der AfD hatten Hellstern wohl nur zwei Abtrünnige der Freien Wähler unterstützt. Es sei eine „bewusste Entscheidung für Herrn Gaiser“ gewesen, der das Amt schon vorher innegehabt habe, sagte der CDU-Fraktionschef Michael Ruf. Im Kreis Calw wurde der dritte Stellvertreterposten auf Vorschlag von Landrat Helmut Riegger (CDU) hingegen einfach abgeschafft. In den 14 Jahren, in denen er Landrat sei, habe man ohnehin nur zwei- oder dreimal überhaupt einen Stellvertreter benötigt.
Im Kreis Tuttlingen beanspruchte die CDU aufgrund ihres starken Wahlergebnisses neben dem ersten auch den dritten Stellvertreterposten. Der zweite ging an die zweitplatzierten Freien Wähler. Im Kreis Göppingen löste sich das Problem von selbst, weil ein frisch gewählter AfD-Kreisrat der Fraktion nach einem Zerwürfnis nicht beitrat. Dadurch fiel die AfD hinter die SPD auf Platz vier zurück. Auch in Schwäbisch Hall rutschte die AfD einen Platz nach hinten, weil Grüne und Linkspartei eine Zählgemeinschaft vereinbarten.
Im Rems-Murr-Kreis und im Landkreis Heilbronn einigten sich die Fraktionen hingegen darauf, alle Posten ohne Abstimmung im Einvernehmen und nach Proporz zu besetzen und damit die AfD auch bei den Stellvertretern zu berücksichtigen. Man habe darüber geredet, ob sich Streit lohne. „Aber eigentlich hat der dritte Stellvertreter-Posten null Relevanz“, sagte der Obersulmer SPD-Kreisrat und ehemalige Landesinnenminister Reinhold Gall.
Dass die Brandmauer keineswegs nur ein Anliegen der etablierten Parteien ist, zeigte sich übrigens im Kreis Göppingen bei einer anderen Besetzung. Nach dem Proporz steht der AfD der zweite stellvertretende Vorsitz im Jugendhilfeausschuss zu. Doch die Wahl des AfD-Kandidaten scheiterte – mutmaßlich an den Vertretern der dort stimmberechtigten Verbände wie Caritas, Awo und Diakonischem Werk. Die geheime Abstimmung war zuvor vom Vertreter des Kreisjugendrings beantragt worden.
Auch im Zollernalbkreis hat offenbar ein Umdenken stattgefunden. Als AfD-Mann Hörner dieser Tage auch noch zum zweiten stellvertretenden Vorsitzenden des Finanzausschusses gewählt werden sollte, fiel er überraschend durch. Diesmal müssen auch Stimmen von CDU und Freien Wählern gefehlt haben. So ganz will man sich von der Brandmauer auch dort nicht verabschieden.
Kreise
Bei der Wahl zu den 35 Kreistagen im Land konnte die AfD im Juni ihren Stimmenanteil von durchschnittlich 5,5 auf 11,7 Prozent mehr als verdoppeln. Sie liegt damit hinter CDU, Freien Wählern, SPD und Grünen landesweit auf Platz fünf, obwohl sie nicht einmal in allen Wahlkreisen Kandidaten hatte. Im Kreis Sigmaringen trat sie überhaupt nicht an.
Städte
Auch in den neun kreisfreien Städten konnte die Partei zulegen, in Pforzheim kam sie auf Platz eins, in Heilbronn zusammen mit SPD und Grünen hinter der CDU auf Platz zwei. Zu den ehrenamtlichen Stellvertretern der Oberbürgermeister wurden aber Stadträte von CDU und FDP, beziehungsweise von CDU und SPD gewählt. Bewerbungen der AfD lagen auch nicht vor.