Stresemanns Enkel wollen den Familienamen vor der AfD schützen. Deshalb wollen sie verhindern, dass eine gleichnamige Stiftung Parteiinhalte der Rechten transportiert.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Man empfindet, dass es doch schon ein europäisches Vaterland gibt“, so notierte der berühmte Tagebuchschreiben Harry Graf Kessler im Oktober 1929 am Morgen nach dem Tod von Gustav Stresemann, beeindruckt von den Trauerbekundungen dies- und jenseits deutscher Grenzen. Der liberale Staatsmann hatte nach dem Ersten Weltkrieg einer friedlichen Alternative für Deutschland den Weg geebnet und deshalb 1926 als erster Deutscher den Friedensnobelpreis erhalten.

 

Europäisches Vaterland? Der heutigen Alternative für Deutschland (AfD) ist diese Vision ein Gräuel. Dennoch schreckt sie nicht davon zurück, den Namen Stresemann für eine parteinahe Stiftung in Erwägung zu ziehen. Sie hat ihn sich jedenfalls gekapert. Das ging so: Nach Recherchen der FAZ soll die AfD eine 2011 ohne Rücksprache mit der Familie gegründete Gustav-Stresemann-Stiftung den Gründern abgekauft und einen Vorstand aus den eigenen Reihen installiert haben. Parteinahe Stiftungen wie die nach Konrad Adenauer (CDU), Friedrich Ebert (SPD), Heinrich Böll (Grüne) oder Friedrich Naumann (FDP) benannten, können Staatszuschüsse in jährlich zweistelliger Millionenhöhe erhalten. AfD-Chef Alexander Gauland hat wohl nur die ersten Kapitel der Stresemann-Biografie gelesen. Bis zum Ersten Weltkrieg war der Berliner Politiker Monarchist und streng national gesinnt. Zu Zeiten der Weimarer Republik wandelte er sich zum „Vernunftrepublikaner“ und Verständigungspolitiker. Unter Stresemann verfolgte seine Partei, die DVP, in deren Tradition die FDP steht, eine an parlamentarischen Kompromissen und Staatsverantwortung orientierte Politik. Vorbild für die AfD?

Die Nachfahren sind „buchstäblich vom Hocker gefallen“

Die Nachfahren des zu Unrecht vereinnahmten Namenspatrons wollen „alle rechtlichen Schritte prüfen, um das Vorhaben der AfD zu unterbinden“. Dies sagte Walter Stresemann, Enkel des Politikers, unserer Zeitung. Seine Schwester Christina, Richterin am Bundesgerichtshof, unterstützt das Ansinnen. Sie seien beide „schockiert“ und „buchstäblich vom Hocker gefallen“, als sie von den AfD-Plänen hörten. Die hätten „mit dem Andenken unseres Großvaters überhaupt nichts zu tun“. Anders als Gauland sei der „ein überzeugter Europäer“ gewesen.