Eine AfD-Kundgebung mit den Rechtsaußen Höcke und Kalbitz hat in Altenburg rund 1200 Gegner auf den Marktplatz getrieben. Zuvor musste der CDU-Oberbürgermeister einen kritischen Tweet löschen. Mit einem Kniff machte er seine Position auf Twitter trotzdem weiter sichtbar.

Altenburg - Mit Trommeln, Sprechchören, Musik, Poesie und Transparenten haben rund 1200 Menschen im ostthüringischen Altenburg gegen eine AfD-Kundgebung demonstriert. Stein des Anstoßes war vor allem der Auftritt der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und Andreas Kalbitz, die der Verfassungsschutz als „Rechtsextremisten“ einstuft. „Wir müssen laut sein und noch deutlicher und noch klarer für unsere Demokratie einstehen“, sagte Altenburgs CDU-Oberbürgermeister André Neumann am Rande der Demonstration der Deutschen Presse-Agentur. Ziel müsse es sein, diejenigen zu mobilisieren, die bisher schwiegen.

 

An den vergangenen Tagen hatte es einen Rechtsstreit zwischen Neumann und Höcke gegeben. Dabei erlitt der Stadtchef wegen kritischer Äußerungen zwar eine Niederlage vor Gericht. Im Internet erhielt er am Donnerstag aber viel Zuspruch. Zu den prominentesten Stimmen gehörte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). „Aber als Mensch haben Sie eine klare Haltung und ich danke Ihnen dafür. Kein Platz für Nazis, kein Willkommen für Nazis, keine Zusammenarbeit mit Nazis!“, schrieb Ramelow auf Twitter.

Neumann hatte vorige Woche auf Twitter und Facebook geschrieben: „Die Neutralität eines Oberbürgermeisters hört bei dem Besuch von zwei Nationalsozialisten auf.“ Und weiter: „Herr Höcke, Herr Kalbitz, Sie sind in Altenburg nicht willkommen!“ Dagegen war Höcke juristisch vorgegangen, das Verwaltungsgericht Gera hatte dem Eilantrag am Mittwoch stattgegeben. Nach Ansicht der Richter hatte Neumann gegen das Neutralitätsgebot für Amtsinhaber verstoßen. Sollte er den Tweet nicht löschen, wurde ein Ordnungsgeld von 10 000 Euro angedroht.

Der Aufforderung kam Neumann nach - bekräftigte aber mit einem Kniff seine Position. Auf Twitter schrieb er: „Als Oberbürgermeister darf ich laut Gerichtsbeschluss über Höcke und Kalbitz nichts zu meinem Willkommensempfinden schreiben. Okay! Ich bin froh, in einem Rechtsstaat zu leben, der auch auf alle Rechte aufpasst.“ Dazu teilte der Christdemokrat den Screenshot eines Berichts über sein ursprüngliches Posting - die Kritik am geplanten Auftritt von Höcke und Kalbitz war dadurch weiterhin sichtbar.

Der Landesregierung wirft Höcke Versagen im Umgang mit dem Coronavirus vor

Auf Twitter erntete er damit viel Zuspruch. „Der Widerstand gegen Nationalsozialisten muss gesellschallschaftlicher Konsens sein“, kommentierte ein Nutzer. Ein anderer schrieb: „Danke für soviel Courage! Schade dass es, hier bei uns in Ostdeutschland, nur so wenige von Ihrem Kaliber gibt.“ Bis zum Abend wurde Neumanns Tweet mehr als 1300 Mal kommentiert oder weiterverbreitet und fast 7400 Mal gelikt - mehr als drei Mal so viel wie die Zahl der Follower des 42-Jährigen.

Auch jenseits des Internets erhalte er sehr viel Zuspruch, sagte Neumann. „Die Reaktionen sind zu 95 Prozent positiv.“ Sein Tweet habe durch das Urteil noch eine weitaus größere Aufmerksamkeit erhalten als zuvor, betonte der CDU-Mann. Ziel müsse es sein, dass Bürger und Politiker in Kommunen, Land und Bund noch stärker als bisher Antidemokraten wie Höcke und Kalbitz entgegentreten.

In seiner Altenburger Rede - nach Polizeiangaben vor rund 400 Zuschauern - sagte Höcke über Neumann: „Er scheint ein Zeitgeistsurfer zu sein.“ Der Landesregierung warf er Versagen im Umgang mit dem Coronavirus vor. „Wir fordern die sofortige Aufhebung aller Corona-Zwangsmaßnahmen“, rief Höcke seinen Anhängern zu. Die Regierung habe „eine Herrschaft der Angst“ im Land aufgebaut und wolle „von den wirklichen Problemen“ ablenken, so sein Vorwurf.

Seine Anhänger hielten derweil Schilder hoch mit Slogans wie „Opas gegen links“ und „Gib Gates keine Chance“. Einen Mundschutz trugen sie nicht; anders als die umstehenden Polizisten und viele Gegendemonstranten hinter der Polizeiabsperrung auf der anderen Marktseite. Kalbitz, AfD-Fraktionschef im Landtag von Brandenburg, ging bereits zu Beginn von Höckes Rede wieder. In seiner knapp zehnminütigen Ansprache hatte er zuvor unter anderem gegen „Gender-Gaga“ gewettert.