Die AfD-Männer Marc Bernhard und Dirk Spaniel sitzen seit Oktober im Bundestag. Sie wollen dort Klartext reden, aber zugleich konstruktiv Politik machen. Im Interview erklären sie, warum sie auf eine konservative Wende der CDU setzen.

Stuttgart - Der langjährige Daimler-Manager Dirk Spaniel (46) aus Stuttgart und der IT-Unternehmer Marc Bernhard (45) aus Karlsruhe führen die baden-württembergische Landesgruppe der AfD im Bundestag. Im Interview ziehen die Neu-Parlamentarier eine erste Bilanz.

 
Sind Sie inzwischen angekommen im Parlament? Wie fühlen Sie sich aufgenommen?
Bernhard: Wir sind gut angekommen. Die Bundestagsverwaltung behandelt uns als AfD-Fraktion fair und genauso wie alle anderen Fraktionen. Wir haben alle Hände voll zu tun. Schließlich entsprechen die 92 AfD-Abgeordneten und ihre künftig rund 500 Mitarbeiter von der Kopfzahl her einem mittelständischen Unternehmen, das wir aufbauen müssen.
Spaniel: Wir werden fair behandelt, das möchte ich bekräftigen. Allerdings wundere ich mich sehr über die Ausstattung vieler Räumlichkeiten. Nach 20 Jahren in einem der weltweit führenden Industrieunternehmen muss ich sagen, dass die Unterschiede schon gigantisch sind.
Inwiefern?
Spaniel: Unsere erste Landesgruppensitzung fand in einem Raum statt, in dem es weder Lan noch W-Lan gab. Auch einen Beamer habe ich vergeblich gesucht. Das war übrigens nicht irgendein Altbau, sondern das moderne Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestags. Die Wände waren holzvertäfelt, es gab Ledersessel. Es lag also nicht am Geld. Inzwischen habe ich festgestellt, dass es vieler solcher Räume gibt. Nur etwa jeder dritte bietet die Möglichkeit, etwas an die Wand zu projizieren.
Man könnte erstens einwenden, dass die Tätigkeit für einen großen Stuttgarter Autobauer Sie verwöhnt hat. Und zweitens, dass Steuermittel vom Bundestag eben sparsam eingesetzt werden. Ist das nicht löblich?
Spaniel: Eine moderne und transparente Besprechungsführung, die Möglichkeit, einen Beschluss per Laptop an die Wand zu werfen, so dass jeder ihn sehen kann, ist im Bundestag offenbar nicht so wichtig. Ich könnte auf Ledersessel verzichten, wenn es stattdessen Beamer gäbe.
Wie haben die anderen Fraktionen Sie aufgenommen?
Bernhard: Meine Erfahrungen sind gemischt. Ich war 22 Jahre für die CDU politisch aktiv, da kennt man natürlich den einen oder anderen Kollegen aus dem Südwesten. Von ihnen wurde ich durchaus freundlich empfangen. Für die Linkspartei gilt das aber nicht. Deren Abgeordnete würden uns nicht einmal die Hand geben.
Spaniel: Ich erlebe die Atmosphäre überwiegend als sachlich-professionell. Sie ist nicht herzlich, aber das muss sie auch nicht sein.
Die AfD-Fraktion verhält sich bisher diszipliniert, entgegen manchen Erwartungen gab es bisher keine Entgleisungen. Vizepräsident Thomas Oppermann (SPD) hat die AfD sogar ausdrücklich für ihre konstante zahlenmäßige Präsenz im Plenum gelobt, weil dies positiv auf die anderen Fraktionen abfärbe. Sind Sie selbst ein wenig von sich überrascht?
Bernhard: Eigentlich nicht. Im Vergleich mit den anderen Fraktion würde ich sagen, wir haben einen hohen Anteil an Persönlichkeiten, die vor dem Einzug in den Bundestag bereits lange Jahr erfolgreich in der freien Wirtschaft tätig waren und die jetzt im Parlament wirklich etwas verändern wollen. Da bringt man natürlich Pflichtbewusstsein mit. Für mich ist völlig klar: Wir werden mit Krawall nichts zum Besseren wenden für unser Land, sondern nur mit konstruktiven Ansätzen.
Die Fraktion mag sich nach außen geschlossen zeigen, aber parteiintern brodelt es weiterhin. Ist es nicht nur eine Frage der Zeit, bis die Völkisch-Nationalen vom Höcke-Flügel auch in der Fraktion die Machtfrage stellen?
Spaniel: Ich gebe zu, ich hatte anfangs durchaus gemischte Gefühle. Man wusste ja nicht, auf wen man treffen würde in Berlin. Bis zum heutigen Tag allerdings habe ich nicht das Gefühl gehabt, dass wir in der Partei einen politischen Dissens haben. Es gibt in der Fraktion Leute, die dem wirtschaftsliberalen Flügel zuzuordnen sind. Andere verfolgen einen nationalliberalen Kurs. Aber wir gehen vernünftig miteinander um und finden immer Kompromisse. Das zeigt, dass wir als AfD erwachsen werden.
Auf dem jüngsten Bundesparteitag in Hannover ging es anders zu. Der letzte prominente Vertreter der Gemäßigten in der AfD, der Berliner Landeschef Georg Pazderski, wurde auf offener Bühne abgestraft.
Spaniel: Auf Parteitagen geht es sicher anders zu. Dort stehen meist Personalfragen im Vordergrund.
Es gibt auch im Bundestag AfD-Abgeordnete, die keine Berührungsängste etwa mit der rechtsextremen Identitären Bewegung zeigen. Wie stehen Sie dazu?
Bernhard: Gegenfrage: Wie stehen Sie dazu, dass Parlamentarier etwa von Linkspartei und SPD sich mit linksextremistischen Gruppen austauschen und diese teils auch finanziell unterstützen? Da wird meines Erachtens mit zweierlei Maß gemessen.
Das ist keine Antwort auf die Frage.
Bernhard: Für uns als AfD gilt: Wir lassen uns von niemandem vorschreiben, mit wem wir sprechen. Und wenn wir Gespräche führen, heißt das noch lange nicht, dass wir die Standpunkte unserer Gesprächspartner teilen. Klar ist: Wer immer gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agiert oder Gewalt als Mittel der Politik einsetzt, gegen den muss entschieden vorgegangen werden.
Wie steht es um die Gemäßigten in der AfD nach der Demütigung für Pazderski?
Bernhard: Ich sehe keine Demütigung. Herr Pazderski hat zwar eine Wahl verloren, wurde aber im nächsten Wahlgang mit gutem Ergebnis zum ersten stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt, eine der einflussreichsten Positionen in der Partei.
Pazderski fordert, die AfD müsse sich eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien anstreben, da sie sonst nichts verändern könne. Teilen Sie diese Position?
Spaniel: Das Land steht vor immensen Problemen, die Frau Merkel nicht mehr in den Griff bekommen wird. Gerade die Konservativen in der CDU beginnen das allmählich zu begreifen. Sie übernehmen deshalb längst unsere Positionen. Auch wenn der Zeitpunkt noch entfernt scheint: Die CDU wird sich auf uns zubewegen müssen, wenn sie das Land voranbringen will. Vielleicht erleben Sie es bereits in der nächsten Legislaturperiode, dass sich CDU und AfD auf Augenhöhe begegnen.