AfD-Machtkampf Was steckt hinter dem Abtritt von Jörg Meuthen?
Er ist der dritte AfD-Vorsitzende, der wegen der zunehmenden Radikalisierung die Partei verlässt. Was sind die Gründe, dass Jörg Meuthen den Machtkampf verloren gibt?
Er ist der dritte AfD-Vorsitzende, der wegen der zunehmenden Radikalisierung die Partei verlässt. Was sind die Gründe, dass Jörg Meuthen den Machtkampf verloren gibt?
Berlin - Es ist ein Abschied mit Karacho: Nach einem verlorenen Machtkampf legt der AfD-Chef Jörg Meuthen nicht nur den Parteivorsitz nieder, sondern tritt mit sofortiger Wirkung aus der AfD aus. Meuthen begründet seinen Schritt mit der Radikalisierung der Partei und verbindet die Entscheidung mit heftigen Vorwürfen an die innerparteilichen Gegner. Seine Begründung: Teile der AfD stünden aus seiner Sicht nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung“, sagte Meuthen am Freitag in einem Interview mit WDR, NDR und dem ARD-Hauptstadtstudio. Er sehe „ganz klar totalitäre Anklänge“.
Der Europaabgeordnete sprach von einer Niederlage im Machtkampf mit der von ihm vor eineinhalb Jahren formal aufgelösten rechtsextremen Strömung des Flügel. Meuthen sagte: „Das Herz der Partei schlägt heute sehr weit rechts und es schlägt eigentlich permanent hoch.“ Gerade in der Coronapolitik habe die AfD etwas Sektenartiges entwickelt. Allenfalls als ostdeutsche Regionalpartei sehe er noch eine Zukunft für die AfD. Meuthen räumte in diesem Zusammenhang eigenes Versagen ein: Er sei als Parteichef mit seinem Einsatz für einen anderen Weg gescheitert, sagte er.
Selbst galt er allerdings auch lange Zeit als Unterstützer des Flügel. Er bezeichnete ihn noch 2019 als „integralen Bestandteil der Partei“ und die Positionen der Strömung später noch als „legitim“.
Seit jedoch der Verfassungsschutz die AfD ins Visier genommen hat, bemüht sich Meuthen strategisch um eine Abgrenzung der Partei. Vor allem in den ostdeutschen Verbänden machte er sich Feinde mit der verordneten Auflösung des Flügel und der Annullierung der Parteimitgliedschaft des Brandenburgers Andreas Kalbitz. Die Thüringer Flügel-Galionsfigur Björn Höcke hatte Meuthen vorgeworfen, er wolle Teile der Partei mundtot machen.
Allerdings steht Meuthen auch persönlich unter enormem Druck: Er ist ins Visier strafrechtlicher Ermittlungen wegen der Spendenpraxis der Partei gerückt. Das Europaparlament steht vor der Aufhebung seiner Immunität, damit strafrechtliche Ermittlungen wegen seiner Rolle in der AfD-Spendenaffäre von 2016 möglich werden.
In dem Fall geht es um den Verdacht der illegalen Wahlkampfhilfe durch einer Schweizer PR-Firma und eine falsche Spenderliste. Der zuständige Ausschuss des Parlaments hatte am Donnerstag der Aufhebung der Immunität zugestimmt.
Die Bundestags-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, eine der härtesten innerparteilichen Kritikerinnen Meuthens, zog entsprechend auch die genannten Motive für den Parteiaustritt in Zweifel: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Parteiaustritt Meuthens nicht in einem Zusammenhang mit der Aufhebung seiner Immunität im Europaparlament zu tun hat“, sagte Weidel unserer Zeitung. „Dass er nun ideologische Gründe vorschiebt und die Partei, der er lange vorgestanden ist, mit Schmutz bewirft, spricht nicht von Charakter.“
Die Machtfrage in der Partei war seit vielen Monaten offen. Nach der Bundestagswahl hatte Meuthen angekündigt, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Der Parteitag, an dem die Nachfolge hätte geregelt werden sollen, war allerdings im Dezember wegen Corona abgesagt worden.
Seine letzte Niederlage erlitt Meuthen in dieser Woche, als der Vorstand und die Landeschefs gegen ihn entschieden, den CDU-Mann Max Otte als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten aufzustellen. „Chrupalla, Weidel, Gauland, Höcke, Brandner nicht zu vergessen, die werden sich richtig freuen, dass der Meuthen nun endlich weg ist. Haben sie lange dran gearbeitet“, so Meuthen.
Meuthen ist nach Bernd Lucke und Frauke Petry der dritte Parteichef, der seit der Gründung der Partei vor neun Jahren gleichzeitig mit seinem Rücktritt auch die Partei verlässt. In allen Fällen war die Radikalisierung der AfD der Grund. Meuthen war der Parteichef mit der längsten Amtsdauer. Er löste 2015 Lucke gemeinsam mit Petry ab. Bis zuletzt war er Teil einer Doppelspitze mit dem Fraktionschef Tino Chrupalla. Meuthen hat seit 2017 ein Mandat im Europaparlament inne. Dies will er behalten.