Die AfD hat sich für einen „Bürgerdialog“ in der Markgröninger Stadthalle eingemietet. Das sei nicht zu verhindern gewesen, sagt der Bürgermeister. Jetzt stellt sich die Frage, wie man die Rechtsaußenpartei empfangen soll.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Die einen wollen öffentlich Flagge zeigen, die anderen die Veranstaltung lieber durch Missachtung strafen: Für Donnerstag in einer Woche lädt die Landes-AfD zu einem sogenannten „Bürgerdialog“ mit Mitgliedern der Bundestagsfraktion nach Markgröningen ein. Dass die Rechtsaußenpartei in der Stadthalle gastiert, stößt im Gemeinderat der Stadt auf wenig Begeisterung. Doch wie darauf reagiert werden soll, ist umstritten.

 

Es war der Markgröninger Grünen-Stadtrat Dietmar Lust, der in der vergangenen Woche als erster Tuchfühlung zu seinen Kollegen im Gemeinderat aufnahm, kurz nachdem die Informationen über die bisher offenbar nur intern beworbene Veranstaltung durchgesickert war. Es sei natürlich das Recht der AfD, politische Diskussionen abzuhalten. „Ebenso und ganz besonders haben wir das Recht und die Pflicht, auch unsere Meinung zur Veranstaltung der AfD kundzutun“, schrieb er an die Fraktionen von CDU, Freien Wählern und SPD im Markgröninger Gemeinderat. Er könne sich eine „fröhliche, bunte Zusammenkunft der Bürgerschaft“ vorstellen, mit Musik und politischen Themen. „Zeigen wir, wer die Brandmauer ist, welche in Bund und Land diskutiert wird.“

Beim Schäferlauf beschimpft

Unterstützung erhielt er aus der SPD. „Ich finde diese Partei schrecklich“, sagte deren Fraktionschef Pedro Fernandes. Die Gefahr, die von ihr ausgehe, erlebe er am eigenen Leib. Gerade erst sei er beim Schäferlauf von einem ihrer Parteigänger übel beschimpft worden. „Die Stimmung ist seltsam geworden.“ Weil er nicht schnell genug eingeparkt habe, habe ihn jemand einen „scheiß Ausländer“ genannt, obwohl er Deutscher sei. „Das habe ich seit Jahrzehnten nicht mehr gehört.“ Eine Gegenveranstaltung werde es deshalb mit Sicherheit geben.

Doch die Reaktion aus den anderen Fraktionen sind zurückhaltend. „Wir sind uns uneinig“, sagte der Vorsitzende der Freien Wähler, Matthias Reutter, nach einer Fraktionssitzung. Einzelne Stadträte würden an einer solchen Gegenveranstaltung teilnehmen wollen, andere blieben lieber zu Hause. Im Grunde stehe man in einem Dilemma. Mit der Teilnahme an einer Demonstration werte man die AfD auf, demonstriere man nicht, könne dies der viel beschworenen Normalisierung der Partei Vorschub leisten. „Auch das Argument ist berechtigt.“

Markus Frohnmaier ist einer von drei Rednern in Markgröningen. Foto: www.imago-images.de/IMAGO/DROFITSCH/EIBNER

Ähnlich äußerte sich der Chef der CDU-Fraktion, Erich Hutflus. „Jeder von uns kann als Privatperson hingehen, wir wollen aber nicht als Gemeinderatsfraktion dort auftreten.“ Aus seiner Sicht sei es jedoch am besten, die Versammlung zu ignorieren, sagte Hutflus. Ein Hemmnis sei auch, dass seit der Kommunalwahl im Juni auch die AfD im Gemeinderat vertreten sei. Dabei handelt es sich um Reno Geisler. Er bewirbt die Veranstaltung zwar auf seiner Instagram-Seite, hat mit ihrer Organisation aber nichts zu tun. Diese lief über die Landespartei. Ähnlich gelagerte Veranstaltungen unter dem gleichen Titel aber mit wechselnder Besetzung sind in der kommenden Woche auch in Schwetzingen, Weingarten in Oberschwaben, Sonnenbühl auf der Alb und auf einem Neckarschiff bei Heidelberg geplant. In Markgröningen beteiligen sich unter anderem der Landessprecher Markus Frohnmaier und der Ludwigsburger Bundestagsabgeordnete Martin Hess.

Die Veranstaltung sei jetzt eingebucht, bestätigte der Bürgermeister Jens Hübner (SPD). Weil die AfD nicht verboten sei, gebe es auch keine Möglichkeit, ihr die Halle nicht zu überlassen. Auch der Trick, zu behaupten, sie sei schon vergeben, fliege früher oder später auf. Das Buchungssystem der Markgröninger Stadthalle ist ohnehin viel zu ehrlich. Auf der Internetseite werden die bereits belegten Termine feinsäuberlich angezeigt.

Nutzen der AfD die Gegendemonstrationen?

Als vor gut einem Jahr die AfD in der Ditzinger Stadthalle einen „Bürgerdialog“ abhielt, demonstrierten mehr als 100 Menschen dagegen. Er sei sicher, dass die Veranstaltung ansonsten damals weitgehend unbemerkt abgelaufen wäre, erinnert sich der Ditzinger Oberbürgermeister Michael Makurath (parteilos). „Wer es für richtig hält zu demonstrieren, soll das tun.“ Aber man müsse abwägen, was besser sei. „Ich vermute, dass viele Gegendemonstrationen der AfD eher genutzt haben“, sagte Makurath.

Auch Hübner hat eine solche Vermutung. Vor einigen Monaten sei die AfD nämlich schon mal in Markgröningen gewesen. Damals im Spitalkeller seien nur sieben Besucher da gewesen. „Ich wünsche mir auch diesmal so wenig Interesse wie möglich.“ Auch bei der AfD sind Bürgerdialoge übrigens eher monologische Veranstaltungen, die ordentlich Sitzfleisch erfordern: zwei Stunden Reden der Abgeordneten, dann eine halbstündige Fragerunde. Doch auch wenn nur 15 Leute kämen, betrage die Hallenmiete 500 Euro bis 700 Euro.

In den Gemeinderäten sind AfD-Vertreter selten

Kandidatenmangel
 Trotz eines Zuwachses bei der Kommunalwahl im Juni ist die AfD im Landkreis Ludwigsburg kommunalpolitisch eher schwach integriert. Lediglich in sechs der 39 Städte und Gemeinden konnte sie Gemeinderatsmandate erringen. Der Grund: Es fehlte an Kandidaten. Selbst in zwei der sechs Großen Kreisstädte scheiterte sie deshalb, in Kornwestheim und Remseck.

Erfolg
 Trat die AfD aber an, schaffte sie immer auch den Einzug, selbst bei einer relativ kurzen Liste. In Markgröningen waren es beispielsweise nur zwei Kandidaten. Viele Wähler wählten nur sie mit jeweils drei Stimmen und ließen die restlichen 16 Stimmen verfallen. So kam einer durch. Der AfD-Stadtrat Reno Geisler holte mit 2581 Stimmen sogar das neuntbeste Ergebnis aller Räte. Außer in Markgröningen gibt es AfD-Vertreter in Ludwigsburg (4), in Bietigheim-Bissingen (3), in Ditzingen und Vaihingen/Enz (2) und in Gerlingen (1).