Stuttgart - Dieses Mal, so schien es, wird ihm niemand aus der eigenen Partei beispringen. Ganz im Gegenteil: Die Grünen haben nun endgültig genug von ihrem Enfant terrible Boris Palmer. Wegen seiner letzten – nach eigenen Angaben satirisch gemeinten – Entgleisungen in einem Facebook-Beitrag, in dem er dem ehemaligen Fußballspieler Dennis Aogo eine Aussage mit dem ausgeschriebenen Wort „N****schwanz“ zuschrieb, soll der Tübinger Oberbürgermeister nun sogar aus der Öko-Partei ausgeschlossen werden. Das hat der Grünen-Landesverband in Baden-Württemberg am vergangenen Samstag beschlossen. Doch einer springt ihm in der Affäre nun bei: Das Grünen-Urgestein Rezzo Schlauch.
Schlauch ist ein grünes Urgestein
Der 73-jährige Anwalt wird Palmer im anstehenden Parteiausschlussverfahren der Grünen vertreten. „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Schaden von meiner Partei und meinem Mandanten abzuwehren“, heißt es in einer Erklärung von Schlauch, aus der die „Welt“ am Donnerstag zitiert.
Schlauch war nicht nur einst Chef der grünen Bundestagsfraktion (1998-2002), er zählt auch neben Joschka Fischer und Jürgen Trittin zu den Machern der ersten Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen. Außerdem wird er gern in einem Atemzug mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann und dem Stuttgarter Ex-Oberbürgermeister Fritz Kuhn genannt, wenn es um die Ur-Grünen in Baden-Württemberg geht, die vergleichsweise früh einen realpolitischen Kurs eingeschlagen haben. Und die Partei damit an die Macht geführt haben. Schlauch ist der erste prominente Grüne, der Boris Palmer öffentlich beispringt – wenn zwar nicht inhaltlich so doch beruflich.
Palmer muss jetzt schweigen
Sein anwaltliches Mandat verstehe er „ausdrücklich nicht als eine politische Auseinandersetzung mit der Partei, sondern ausschließlich zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen meines Mandanten Boris Palmer“, heißt es in der Erklärung Schlauchs vom Donnerstag. Mit seinem Mandanten habe er vereinbart, dass dieser „außerhalb des Verfahrens und während der Verfahrensdauer keinerlei Äußerungen, Stellungnahmen zu dem streitbefangenen Sachverhalt und den damit verbundenen Themen tätigt“, erklärte der Anwalt.
Der Tübinger Oberbürgermeister hat sich zunächst nicht zur Mandatsübernahme Schlauchs geäußert. Doch Palmer war an diesem Vatertag nicht still. Auf Facebook postet er eine Erinnerung an seinen Vater. „Roland Freisler stand bei uns vor dem Haus. Mein Vater hat ihn als Vorbild furchtbarer Juristen in der BRD auf der Hecktür seines Obstlasters verewigt. Sie steht noch vor meinem elterlichen Haus. Überschrift: ‚Die nie gereinigte Justiz’“.
Palmer: Schlauch vertrat schon meinen Vater
Palmer erzählt den Hintergrund der Geschichte. „Mein Vater ist für Nazi-Vergleiche ins Gefängnis gegangen.“ Er habe es nicht ertragen können, dass besonders in der Justiz des Landes alte Nazis führende Positionen errangen, bis hin zu Ministerpräsident Hans Filbinger. „Jan Knauer weist in seiner Dissertation über meinen Vater nach, dass es gerade Alt-Nazis waren, die besonders harte Urteile über ihn sprachen und verlangten. Er nannte seine Gegner schon mal ‚verkappte Faschisten und Haupteinfädler des verbrecherischen Terrors ehemaliger Nazis im CDU-Tarngewand’ oder protestierte im Talar, mit Hakenkreuz oder Judenstern gegen Urteile“, schreibt Palmer. Und fügt hinzu: „Rezzo Schlauch vertrat ihn in seinen letzten Lebensjahren vor Gericht.“