Bundespräsident Christian Wulff versichert beim "Zeit-Matinee" trotz neuer Vorwürfe, dass er nicht an Rücktritt denke.  

Stuttgart - Dass ein Bundespräsident nicht noch im letzten Moment absagt, ist in diesen Zeiten eine Erwähnung wert. Josef Joffe, Journalist der Wochenzeitung "Die Zeit", sprach dem Bundespräsidenten seine Anerkennung dafür aus, dass er nicht abgesagt hat. Vor einem halben Jahr, als noch nicht über Affären des Bundespräsidenten gesprochen wurde, hatte Wulff zugesagt, zur "Zeit-Matinee" zu kommen. Das Versprechen hat er eingehalten, auch wenn es ihm schwergefallen ist, sich über eine Stunde lang zum Thema "Typisch deutsch?" befragen zu lassen.

 

Die Anspannung ist ihm jedenfalls anzumerken: Vorsichtig und diplomatisch gibt er sich in dem Gespräch vor geladenem Publikum - es ist der erste größere Auftritt seit dem Bekanntwerden neuer Vorwürfe. Eines wird in diesen eineinhalb Stunden schnell klar: der Bundespräsident denkt nicht daran, das Handtuch zu werfen. Als Joffe wissen will, ob er nicht daran denke, hinzuschmeißen, antwortet der Bundespräsident ohne langes Nachdenken: "Ich finde das total banal." Warum er zu dem Schluss kommt, begründet er mit seiner Biografie: Als junger Mensch habe er gelernt, mit persönlichen Problemen fertig zu werden. Er sei es gewohnt, sich schwierigen Situationen zu stellen. An dieser Stelle gibt es vom Publikum sogar Beifall, was während der eineinhalb Stunden nicht oft vorkommt.

Der Bundespräsident scheint sich einen dicken Panzer zugelegt zu haben. Geduldig geht er auf Fragen ein, verspricht Aufklärung und warnt vor Vorverurteilung. Als er mit den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen seinen früheren Pressesprecher und Vertrauten Olaf Glaeseker konfrontiert wird, sagt er, Unstimmigkeiten zum "Nord-Süd-Dialog" während seiner Zeit als Ministerpräsident seien für ihn neu. Für Glaeseker müsse die Unschuldsvermutung gelten, solange ihm nichts anders nachgewiesen werde, meinte Wulff.

"Es ist nicht ganz einfach für mich, mein Amt auszuüben"

Selbst der Umstand, dass die Landesregierung unter Wulff dem Parlament falsche Auskünfte zur Finanzierung des Gipfels gegeben habe, bringt ihn nicht aus der Ruhe. Er sehe den Vorwürfen mit Gelassenheit entgegen. Wulff erwartet nun eine juristische Auseinandersetzung. "Sollte jetzt doch Steuergeld hineingeflossen sein, hätten wir dem Parlament gegenüber nicht die Wahrheit gesagt - das ist ein ernster Vorgang, der zu Recht jetzt vermutlich vom Staatsgerichtshof geklärt werden wird", sagt er. Für ihn scheint aber auch dies eine Kleinigkeit zu sein. Verharmlosend spricht er von "Garderobenrechnungen", die anders beglichen wurden als behauptet.

Es sind immer wieder dieselben Gesten: Der Bundespräsident hält harsche Kritik für ungerechtfertigt. Er unterscheidet dabei genau zwischen Vorwürfen der Medien und dem Urteil der Bürger. Entscheidend für ihn ist die Meinung des Volkes. "Die Menschen machen sich ihr eigenes Bild", sagte Wulff. Auf diese Karte will der angeschlagene Präsident setzen. Bei seinen Begegnungen mit den Bürgern habe er immer viel Zuspruch erfahren und auch in den Meinungsumfragen sei ihm bis vor fünf Wochen große Wertschätzung entgegengebracht worden. Bis dahin "sah alles toll aus", wie es Wulff formuliert. Die "Irritationen", so nennt der Präsident die Anschuldigungen, wolle er aus der Welt schaffen.

Zumindest an einer Stelle erlaubt das Staatsoberhaupt einen kleinen Einblick in seine Gemütslage: "Es ist nicht ganz einfach für mich, mein Amt auszuüben."

Der Nord-Süd-Dialog

Schirmherrenrolle: Der frühere Regierungschef im Südwesten, Günther Oettinger (CDU), hat seine Rolle beim "Nord-Süd-Dialog" mit Niedersachsen als begrenzt beschrieben. Er habe sich "bewusst als Schirmherr verstanden", sagte der EU-Energiekommissar der "Welt am Sonntag". "Ich war da, habe den Ablauf aber nicht im Detail zu beherrschen versucht."

Partyscout: Er habe bei der Auswahl des Veranstaltungsorts in Stuttgart mitgewirkt und "dafür gesorgt, dass unsere Regierung auch hingegangen ist", so Oettinger. Zwischen 2007 und 2009 gab es drei "Nord-Süd-Gipfel", die zweite Party war Ende 2008 im Römerkastell. Steuergelder sind offenbar nicht geflossen.