Das Flüchtlingsbundesamt steht in der Kritik. Lange Verfahren, fehlerhafte Entscheidungen, ungeklärte Identitäten. Eine Reform jagt die nächste. Der zuständige Minister ist neu im Amt und sagt: Was kann ich dafür?

Berlin - In der Affäre um Verfahrensmängel und Fehlentscheidungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wächst der Druck auf Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Die FDP forderte am Donnerstag einen Untersuchungsausschuss des Bundestags zu den Vorgängen in der Bremer Bamf-Außenstelle. Deren frühere Leiterin soll dazu beigetragen haben, dass mindestens 1200 Asylbewerber womöglich zu Unrecht Schutz erhielten.

 

„Die Vorgänge im Bamf sind nun der Anlass, aber nicht der einzige Gegenstand: Die Flüchtlingspolitik muss von 2014 an untersucht werden, um Verschwörungstheoretikern die Grundlage zu nehmen“, erklärte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner via Kurznachrichtendienst Twitter zur Forderung nach einem Untersuchungsausschuss. Für die Einsetzung ist die Unterstützung eines Viertels der Abgeordneten nötig - das wären drei der vier Oppositionsfraktionen. Ob diese vorhanden ist, war zunächst unklar.

Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner rief Seehofer im Bundestag zu: „Tun Sie nicht so, als wären Sie der Chef-Aufklärer. Was wussten Sie und wann wussten Sie es?“

Seehofer verteidigt sich auch selbst

Seehofer nahm das Bamf gegen den Vorwurf der Unfähigkeit und Vertuschung in Schutz. „Dort wird heute eine gute Arbeit geleistet für unser Land in einem ganz wichtigen Bereich“, sagte er in seiner Parlamentsrede. Es sei falsch, das mögliche Fehlverhalten einiger Mitarbeiter allen Beschäftigten anzulasten. Gleichzeitig trat Seehofer dem Vorwurf entgegen, die Aufklärung in der Angelegenheit nicht entschieden genug vorangetrieben und eine Mitarbeiterin, die dazu beitragen wollte, strafversetzt zu haben.

Josefa Schmid hatte die Leitung der Bremer Außenstelle im Januar angetreten. Inzwischen musste sie ihren Posten wieder räumen. Obwohl sie sich juristisch gegen ihre Abberufung wehrt, führt die Nürnberger Bamf-Zentrale für die Versetzung „Fürsorge“-Gründe an.

„Für die Fraktion der Freien Demokraten führt nun kein Weg mehr an einem Untersuchungsausschuss vorbei“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann. „Offenbar ist nur so eine schonungslose Aufarbeitung möglich.“

Die Linke lehnt einen Untersuchungsausschuss ab

Die Grünen sperren sich nicht generell dagegen, sehen aber auch noch andere Möglichkeiten. „Es müssen jetzt alle Karten auf den Tisch. Wenn hier weiter relativiert und auf Zeit gespielt wird, muss das Parlament die Aufklärung übernehmen. Einen Untersuchungsausschuss braucht es nicht, wenn das Parlament endlich ordentlich informiert und eingebunden wird“, teilte die Fraktionssprecherin für Flüchtlingspolitik, Luise Amtsberg, mit.

Dagegen lehnt die Linke einen Untersuchungsausschuss ab. „Das würde nur den rechten Hetzern in die Hände arbeiten“, sagte die innenpolitische Fraktionssprecherin Ulla Jelpke.

Seehofer betonte, die staatsanwaltlichen Ermittlungen zur Bremer Bamf-Affäre hätten vor seinem Amtsantritt begonnen. Ein Untersuchungsausschuss zu den Unregelmäßigkeiten sei für ihn „keine Bedrohung“.

Josefa Schmid ist FDP-Mitglied und ehrenamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde Kollnburg in Niederbayern. Sie hatte in einem internen Bericht, den sie am 4. April an Innen-Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) schickte, die Einsetzung einer „neutralen Untersuchungskommission“ durch das Ministerium angeraten, um für eine Aufklärung der Vorfälle unabhängig von der Bamf-Leitung in Nürnberg zu sorgen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Schmids Vorgängerin

Mayer sagte im Deutschlandfunk zu der Affäre in Bremen: „Das Ausmaß ist enorm. Man ist immer noch dabei, die Dimension in der Gesamtheit in Erfahrung zu bringen.“ Es sei richtigerweise von der Bamf-Spitze entschieden worden, alle 2000 Verfahren, die in Bremen entschieden wurden, zu prüfen. „Ich gebe Frau Schmid durchaus Recht, dass die Vorgänge in Bremen ungeheuerlich sind, dass sie unfassbar sind“, sagte er. Mayer betonte, Seehofer und seine Mitarbeiter hätten ein enormes Interesse an einer umfänglichen Aufklärung. Josefa Schmid hatte nach Angaben des Innenministeriums bereits am 14. März um einen persönlichen Gesprächstermin mit Seehofer gebeten. Der Minister soll jedoch erst fünf Wochen später darüber informiert worden sein.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Schmids Bremer Vorgängerin. Diese soll zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen unrechtmäßig Asyl gewährt haben. Außer gegen die Frau wird gegen fünf weitere Beschuldigte ermittelt - darunter drei Rechtsanwälte und ein Dolmetscher. Es besteht der Verdacht der Bestechlichkeit und der bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung.