Der umstrittenen Herzklinik Konstanz droht der Verlust der Zulassung für Kassenpatienten. Die AOK Baden-Württemberg und ein halbes Dutzend weiterer gesetzlicher Kassen haben erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der Privatklinik.

Konstanz/Kreuzlingen - Für das umstrittene Herzzentrum Bodensee in Konstanz wird die Lage immer ernster. Der wegen massiver Vorwürfe unter Druck geratenen Klinik droht die Zulassung für Kassenpatienten zu verlieren. In einem Schreiben vom 25. November, das der Stuttgarter Zeitung und SWR Info vorliegt, sieht die AOK Baden-Württemberg im Namen eines halben Dutzends weiterer gesetzlicher Kassen begründete „Zweifel an einer Gewähr für eine leistungsfähige, wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Krankenhausbehandlung“.

 

Die Stellungnahmen, die die Klinik bisher zu der Affäre verbreitet hatte, seien „nicht ansatzweise dazu geeignet die Zweifel auszuräumen“, stellt die AOK fest. Die Kassen forderten die Klinik ultimativ auf, darzulegen, ob das Herzzentrum die „rechtlichen Vorgaben“ insbesondere zum Einsatz von Medizinprodukten und Arzneimitteln eingehalten habe.

„Rein vorsorglich“ weisen die Kassen die Klinik darauf hin, dass eine fehlende Gewähr zur Kündigung des Versorgungsvertrages führen werde. Das private Herzzentrum Bodensee in Konstanz hatte den 2003 geschlossenen Versorgungsvertrag erst durch Klagen vor dem Landessozialgericht erstritten. Die AOK hatte mit ihrem Schreiben umgehend auf Berichte der Stuttgarter Zeitung und des SWR reagiert, in denen der Konstanzer Klinik und ihrer Schwester, dem Herz-Neuro-Zentrum Bodensee AG in Kreuzlingen, etliche Missstände vorgeworfen worden waren.

Leichenschmuggel, fehlende Notfallversorgung, falsche Ärzte

Es ging unter anderem um Leichenschmuggel, die Beschäftigung von Ärzten ohne Approbation und um die Verwendung nicht zugelassener Herzklappen sowie die mögliche Verletzung des Arztgeheimnisses. Weiter wird der Klinik eine fehlende Notfallversorgung, die Verwendung veralteter und Patienten schädigender Röntgenapparate sowie der Verdacht auf Unterschlagung von Sozialversicherungsbeiträgen für Ärzte und Pflegepersonal aus der Schweiz vorgehalten, die jedoch tatsächlich in der deutschen Klinik eingesetzt worden sein sollen.

Entsprechende Aussagen liegen der StZ und dem SWR vor. Die Staatsanwaltschaft Konstanz ermittelt bereits seit Mai gegen die Klinikleitung. Diese hat die Vorwürfe weitgehend bestritten. Gegenüber den Krankenkassen hat sie Mitte Dezember eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben, die derzeit überprüft wird.

Auch in der Schweiz hat die Staatsanwaltschaft Thurgau nun Ermittlungen aufgenommen und Zeugen vernommen. Die Behörde untersucht Medienberichten zufolge die mögliche Verletzung des Arztgeheimnisses und ermittelt auch im Fall des möglichen Leichenschmuggels, der anders als in Deutschland in der Schweiz noch nicht verjährt ist. In den Vernehmungen soll die Klinikleitung weiter belastet worden sein.

In Deutschland behandelt, in der Schweiz abgerechnet

So habe ein Chefarzt ausgesagt, dass Schweizer Patienten mit Herzrhythmusstörungen in Konstanz behandelt worden sein sollen, weil dies dort etwa ein Drittel billiger ausfiel. Dies sei in der Abrechnung mit den Schweizer Kassen nicht ersichtlich gewesen. Die Arztbriefe für die eidgenössischen Kassen seien entsprechend verändert worden. Die Klinikchefs dementieren das.

Der Mediziner erläuterte weiter, das in den Kliniken die Materialkosten höher waren als die Aufwendungen für Personal, was ungewöhnlich sei. Der Hintergrund sind möglicherweise unerlaubte In-sich-Geschäfte mit Medizinprodukten über die ProVentis Care Solutions AG, eine in Oberägeri im Kanton Zug sitzende Briefkastenfirma, mit denen die Klinikverantwortlichen Millionengewinne erzielt haben sollen – zu Lasten der deutschen und der Schweizer Krankenkassen sowie der deutschen Steuerzahler. Die Staatsanwaltschaft Thurgau hat auch hierzu Ermittlungen aufgenommen.