Für den AfD-Ratsfraktionschef Bernd Klingler fängt das neue Jahr nicht gut an: Weil sich der Ex-Liberale trotz seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Unterschlagung von FDP-Fraktionsgeldern weigert, das Geld zurückzuzahlen, geht die Stadt gerichtlich gegen ihn vor.

Stuttgart - Der Fall ist beispiellos in der Geschichte Stuttgarts: Erstmals verklagt die Stadt einen ihrer amtierenden, demokratisch gewählten Repräsentanten vor Gericht. Es geht um Bernd Klingler, den früheren FDP-Fraktionsvorsitzenden und heutigen AfD-Ratsfraktionschef. Die Stadtverwaltung fordert von Klingler jene 23 500 Euro zurück, die er – damals noch als Vormann der liberalen Fraktion – laut Gerichtsurteil unterschlagen und für private Zwecke verwendet hat. Nach Informationen unserer Zeitung hatte Klingler die Rückzahlung zunächst zugesagt, dann aber um Aufschub bis nach der Bundestagswahl im vergangenen September gebeten. Über seinen Anwalt ließ er dann aber später mitteilen, er halte die Forderung für unberechtigt.

 

Jetzt zieht die Stadt Klingler vor den Kadi. Weil sie aber laut Paragraf 126 der Gemeindeordnung nicht selbst finanzielle Ansprüche gegen Stadträte geltend machen kann, wird die Klage über das Regierungspräsidium als zuständiger Rechtsaufsichtsbehörde eingereicht. Ein Stadtsprecher bestätigte den Vorgang auf Anfrage: Die Stadt verschließe sich möglichen weiteren Vergleichsgesprächen nicht: „Zentral ist für sie aber die vollständige Rückerstattung des Geldes“, so der Sprecher. Vorsorglich lässt die Stadt respektive das Regierungspräsidium nach Informationen unserer Zeitung auch mögliche Ansprüche gegenüber der Rats-FDP prüfen, die seit dem Austritt Klinglers nur noch als Gruppe im Gemeinderat firmiert.

Klingler beruft sich gegenüber unserer Zeitung auf ein Rechtsgutachten des renommierten Verwaltungsrechtlers Holger Zuck. Dieser sei der Auffassung, die Stadt müsse sich das Geld von der FDP zurückholen. Auch die FDP habe mittlerweile eingelenkt: Laut Klingler soll Stadtrat Michael Conz ihm angeboten haben, die Summe zwischen FDP und Klingler hälftig aufzuteilen. Conz bestätigte auf Anfrage, man sei diesbezüglich in Verhandlungen: „Wir wollen das Risiko eines teuren Prozesses mit ungewissem Ausgang minimieren.“

Klingler hat Urteil akzeptiert, ist sich aber weiter keiner Schuld bewusst

Rückblick: Im Juni 2016 hatte das Amtsgericht Bad Cannstatt den Kommunalpolitiker und Inhaber einer Werbeagentur wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er als Chef der FDP-Fraktion in den Jahren 2013 und 2014 besagte 23 500 Euro aus der Fraktionskasse entnommen und für private Zwecke – unter anderem für den Kauf eines Autos – verwendet hatte. Als der Fehlbetrag in der Kasse ruchbar wurde und ihm die FDP-Fraktionskollegen das Vertrauen entzogen, lief Klingler zur AfD über und verhalf der bis dato dreiköpfigen Gruppe zum Fraktionsstatus. Er selbst avancierte damals auf Anhieb neben Lothar Maier zum Fraktionssprecher.

Seinen Unschuldsbeteuerungen, er habe seinerzeit mit dem Geld Werbematerialien für die FDP-Fraktion finanziert, schenkte das Amtsgericht keinen Glauben – zu viele Indizien sprachen gegen ihn. Im Dezember 2016 hatte der selbstständige Unternehmer, der zunächst mit einer Berufung gegen das Urteil geliebäugelt hatte, den Richterspruch schließlich akzeptiert. Als Schuldeingeständnis freilich wollte Klingler das nicht verstanden wissen. „Zwischen recht haben und recht bekommen gibt es bekanntlich einen großen Unterschied“, so der AfD-Stadtrat damals.

Auch bei der AfD klagt man über fehlende Belege für Geschäfte mit Klinglers Agentur

Klingler liegt derzeit auch mit der Gewerbeaufsicht im Clinch, weil er Steuern, Sozialversicherungs- und Krankenkassenbeiträge über Jahre hinweg zu spät bezahlt hat. Die Stadt will ihm deshalb wegen Unzuverlässigkeit untersagen, seinen Betrieb weiter zu führen. Erst kürzlich hatte er betont, er sei nie jemandem etwas schuldig geblieben und habe alle Rechnungen längst beglichen. Doch zumindest für die Summe, die er der aus Steuermitteln gefüllten FDP-Fraktionskasse entnommen hatte, gilt das offenbar nicht. Bereits nach der Verurteilung Klinglers hatte die Stadt angekündigt, sich das veruntreute Geld zurückzuholen.

In AfD-Kreisen wird unterdessen die Information gestreut, der Fraktionschef habe auch seiner neuen Partei regelmäßig Rechnungen seiner Werbeagentur auf Basis von Dienstleistungen Dritter ausgestellt. Er habe dies eigenverantwortlich in seiner Funktion als damaliger Parteisprecher getan, ohne dass dazu ein Vorstandsbeschluss nötig gewesen wäre. „Genau betrachtet hat er Geschäfte als AfD-Sprecher mit seiner eigenen Werbeagentur abgeschlossen“, heißt es in einem internen Schreiben an die Mitglieder des AfD-Kreisverbands. Bis heute habe Klingler bis auf eine Ausnahme die Ursprungsrechnungen der von ihm beauftragten Dienstleister nicht vorgelegt. Das Fazit der Parteifreunde, mit denen sich der Fraktionsvorsitzende überworfen hat und deretwegen er erst kürzlich auf eine erneute Kandidatur als Parteichef verzichtet hatte: Es mangele Klingler an „Offenheit, Klarheit und Transparenz“. Klingler bestreitet die Vorwürfe vehement. Es sei vollkommen unüblich, Rechnungen beauftragter Dienstleister vorzulegen. Er habe an den Aufträgen für die AfD „keinen Cent verdient“ und vieles sogar unentgeltlich erledigt.