Die Bundeswehr setzt ihren Abzug aus Afghanistan fort und übergibt das Feldlager Kundus an Afghanistan. Der Verteidigungsminister Lothar de Maizière und Außenminister Guido Westerwelle versprechen den Afghanen weitere Unterstützung.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Für die Bundeswehr ist es der letzte große Schritt vor dem Abzug der Isaf-Schutztruppe bis Ende 2014: Nach zehn Jahren verlässt sie ihren gefährlichsten Standort im nordafghanischen Kundus und zieht sich ins Basiscamp Masar-i-Scharif zurück. Erstmals flogen Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Sonntag gemeinsam an den Hindukusch, um das Feldlager in einer Zeremonie mit Isaf-Oberbefehlshabers Joseph Dunford an die afghanischen Sicherheitskräfte zu übergeben. Der Termin war bis zuletzt streng geheim gehalten worden.

 

Mehr als 20 000 deutsche Soldaten waren dort stationiert

Kundus hat für die Truppe eine prägende Bedeutung. Mehr als 20 000 deutsche Soldaten waren dort seit Oktober 2003 stationiert. Es sei der Ort, an dem die Truppe habe lernen müssen zu kämpfen, sagte der Verteidigungsminister. „Hier wurde aufgebaut und gekämpft, geweint und getröstet, getötet und gefallen“, so de Maizière. „Das war eine Zäsur – nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für die deutsche Gesellschaft.“ Obwohl die Soldaten Kundus nun verließen, „werden wir diesen Ort niemals vergessen“. 25 deutsche Soldaten sind in der Region bei Gefechten und Anschlägen gefallen – mehr als an jedem anderen Ort seit dem Weltkrieg. Insgesamt starben in Afghanistan 35 Deutsche durch Attacken der Aufständischen, 19 weitere kamen durch Unfälle und Selbstmorde ums Leben.

Außenminister Westerwelle bekräftigte, dass sich das deutsche Engagement in Afghanistan bisher gelohnt habe und fortgesetzt werde. „Vieles ist heute besser in Afghanistan, aber noch lange ist nicht alles gut“, sagte der FDP-Politiker. Bis 2016 hat Deutschland jährlich bis zu 430 Millionen Euro für den Wiederaufbau zugesagt.

Das bisher größte Konvoi ist nach Masar-i-Sharif aufgebrochen

Das Feldlager wurde in den vergangenen Monaten mit einer Mauer unterteilt und für die Afghanen nach deren Bedürfnissen hergerichtet. Nun ziehen dort ein Bataillon der afghanischen Armee und eine Einheit der Bereitschaftspolizei ein. Die verbliebenen etwa 500 Bundeswehrangehörigen sollen noch im Oktober das Camp komplett räumen. Nach der Übergabe brach der bisher dritte große Konvoi seit August mit brisantem Material zum 160 Kilometer entfernten Hauptquartier in Masar-i-Scharif auf. Der vierte und letzte Konvoi werde die wohl bestgesicherte Operation in der Geschichte der Bundeswehr sein, sagte der Standort-Kommandeur Jochen Schneider der Stuttgarter Zeitung.

Ungeachtet der vielen Angriffe der Taliban auch in Nordafghanistan zeigte sich der Oberst zuversichtlich: 2013 seien weniger Anschläge zu verzeichnen als im Vorjahreszeitraum. Die Sicherheitslage könne sich zwar kurzfristig verschlechtern, indem die Aufständischen Gelegenheiten nutzten. „Auf längere Sicht bin ich aber total optimistisch, dass die afghanischen Kräfte willens und fähig sind, die Sicherheit allein zu übernehmen“, betonte Schneider.