Half die Bundeswehr in Afghanistan bei gezielten Tötungen von Taliban-Kommandeuren? Ein General bestätigt die Existenz von Tötungslisten auf Nato-Ebene. Jetzt werden unbequeme Fragen laut.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Das Verteidigungsministerium in Berlin und der frühere Nato-General Egon Ramms haben bestätigt, dass Deutschland Zieldaten geliefert hat, die möglicherweise auch zur Tötung von Taliban-Kämpfern in Afghanistan genutzt wurden. Die Opposition im Bundestag reagierte empört und forderte Aufklärung.

 

Das Verteidigungsministerium teilte mit, dass deutsche Soldaten Informationen für die Definition militärischer Ziele der Isaf-Truppen zugeliefert haben. Im Rahmen des Isaf-Targeting-Prozesses habe die Bundeswehr „ausschließlich die Handlungsempfehlung zur Festsetzung“ von Personen ausgesprochen und nie für Tötungen plädiert. Das Ministerium ließ aber erkennen, dass die Bundeswehr keine Kontrolle darüber hatte, wie die Bündnispartner mit den Daten umgingen. Es sei „nicht auszuschließen, dass bei Operationen gegen Zielpersonen unter nationalem Kommando“ diese Daten auch für Tötungen verwandt wurden, so das Ministerium.

Ein General bestätigt die „Tötungslisten“

Nach Angaben von General Ramms hat Deutschland seit Februar 2010 an der Zielerfassung mitgearbeitet. Ramms war bis Herbst 2010 Befehlshaber der Nato-Kommandozentrale in Brunssum (Niederlande); sie leitet den Afghanistan-Einsatz. Es habe „Tötungslisten“ gegeben, die nicht nur von den USA und Großbritannien erstellt wurden. „Sie können sie auch als Nato-Listen bezeichnen, weil sie auf den verschiedenen Ebenen der Regionalkommandos in Afghanistan und im Isaf-Hauptquartier erarbeitet wurden.“ Ramms verwies darauf, dass seit 2002 Spezialkräfte der Bundeswehr in Süd-Afghanistan, unter anderem in der Taliban-Hochburg Kandahar, eingesetzt wurden. „Sie haben dort, das kann ich glaubhaft versichern, bestimmt keine Blümchen gepflückt“, betonte er.

Der „Spiegel“ hat über Todeslisten mit bis zu 750 Namen berichtet. Laut „Bild“ hat der deutsche General Markus Kneip sich im Mai 2011 dafür ausgesprochen, ein Aufständischer solle „festgenommen oder neutralisiert“ werden. Laut Ministerium bedeutet „neutralisieren“, „ein Ziel für einen begrenzten Zeitraum unwirksam oder unbrauchbar“ zu machen. Die Opposition im Bundestag reagierte empört auf die Äußerungen. Die Linke warf der Bundeswehr Beihilfe zum Mord vor. Die Grünen forderten schnelle Aufklärung.

Die Opposition spricht von Mord

„Die gezielte Tötung von Verdächtigen, ohne Gerichtsverfahren und Urteil, ist Mord. Das gilt auch in Afghanistan“, sagte der Linkspolitiker Jan van Aken. Wenn General Kneip tatsächlich die „Festnahme oder Neutralisierung“ eines Afghanen gefordert habe, müsse das dienst- und strafrechtlich geahndet werden. „Gezielte Tötungen sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“, betonte Agnieszka Brugger (Grüne). „Die Bundesregierung muss den Abgeordneten sofort die Unterlagen zur Verfügung stellen, damit diese sich ein Bild machen können, ob sie in den vergangenen Jahren auf Basis falscher Informationen über das Isaf-Mandat abgestimmt haben.“