Der kleine Fußballfan Murtasa aus Afghanistan wurde durch sein Trikot aus Plastiktüten vor zwei Jahren weltweit bekannt. Sein Idol Lionel Messi schenkte ihm darauf einen signierten Ball. Das kostbare Stück musste der Siebenjährige auf der Flucht vor den Taliban zurücklassen.

Kabul - Jeden Morgen kam der kleine Murtasa zu seiner Mutter und ließ sich von ihr seinen kostbarsten Besitz geben. Der Siebenjährige schälte ihn geduldig aus vier übereinandergestülpten und zugeknoteten Plastiktüten: ein weiß-blauer Fußball, signiert von seinem Idol Lionel Messi. Doch nun kann der afghanische Junge, der mit einem Trikot aus Plastiktüten vor zwei Jahren weltweit ein Star im Internet geworden ist, seinen Ball nicht mehr bestaunen. Denn die Familie musste wie viele andere Menschen in den vergangenen Wochen aus ihrem Heimatbezirk Dschaguri fliehen. Ohne den Ball.

 

Taliban-Kämpfer hatten versucht, den Bezirk in der zentralen Provinz Gasni zu überrennen. Die Messi-Trophäen - auch zwei signierte Trikots - seien dabei zurückgeblieben, erzählen Murtasa und sein 17-jähriger Bruder Humajun.

Alles sei sehr schnell gegangen. Der Vater habe einen Anruf bekommen, dass Anguri, eine Kleinstadt in der Nähe ihres Heimatortes Sang-e Mascha an die Taliban gefallen sei. Daraufhin seien sie sofort aufgebrochen. „Wie hätte ich den Ball mitbringen sollen, wenn ich flüchten musste?“, sagt Murtasa auf die Frage, warum er seinen wertvollsten Besitz zurückgelassen habe. „Wir sind nur in unserer Kleidung aus dem Haus gelaufen“, erzählt Humajun.

Sebstgebasteltes Messi-Trikot machte Martasa bekannt

Seit Monaten verschlechtert sich die Sicherheitslage in Afghanistan. Die Regierung kontrolliert nach Militärangaben heute nur noch wenig mehr als die Hälfte der Bezirke des Landes. Die Provinz Gasni war in diesem Jahr besonders betroffen, im August versuchten die Taliban, die gleichnamige Provinzhauptstadt einzunehmen. Sie verließen die Stadt erst nach mehrtägigen Gefechten. Die Bezirke Dschaguri und Malistan, die im November von Taliban angegriffen wurden, galten bis dahin als die friedlichsten in der Provinz.

Gespielt habe Murtasa mit dem Ball von Messi niemals, erzählt seine Mutter bei einem Gespräch in Kabul am Donnerstag. Er habe ihn lediglich in seinen Händen gedreht, um ihn kurz darauf wieder in die zahlreichen Plastiktüten einzuwickeln und ihr zurückzugeben, damit sie ihn gut aufbewahre. Genau so wie er davor bereits jedes Foto des Stürmers aus Argentinien, das er in Zeitungen entdeckte, seiner Mutter zur Aufbewahrung überreicht hatte.

Murtasas selbstgebasteltes Messi-Trikot machte den kleinen Fußballfan vor zwei Jahren weltweit bekannt. Sein Bruder Humajun hatte für ihn eine blau-weiß gestreifte Plastiktüte zum argentinischen Nationaltrikot umfunktioniert. „Messi“ und die Rückennummer 10 waren mit Kugelschreiber darauf gekritzelt. Das Bild von Murtasa in dem Plastiktüten-Trikot ging in sozialen Netzwerken viral.

Murtasa lernte sein Idol Messi persönlich kennen

Wenig später schickte ihm Messi über das Kinderhilfswerk Unicef zwei signierte Trikots und den Ball. Im Dezember 2016 lernte Murtasa sein Idol dann vor einem Freundschaftsspiel von Messis FC Barcelona in Doha (Katar) sogar persönlich kennen.

Allerdings brachte seine Bekanntheit auch Probleme mit sich. Die Familie erhielt Drohanrufe. Viele Menschen hätten gedacht, Murtasa habe viel Geld von Messi erhalten, sagt seine Mutter Schafika Ahmadi. Sie fürchtet bis heute Entführung und Lösegelderpressungen. Eine Zeit lang waren die Ahmadis sogar nach Pakistan geflüchtet. Ein ganzes Jahr in Dschaguri ließen die Eltern den Jungen nicht in die Schule gehen. Auch jetzt in Kabul dürfe Murtasa nur im Innenhof Fußball spielen und nur ab und zu in Begleitung seines Bruders aus dem Haus, sagt seine Mutter.

Ungeachtet dessen, dass die Familie in Kabul nun in einem einzelnen Zimmer ohne sichtbare Heizmöglichkeit wohnt, freut sich Murtasa. Denn sein Ball ging nicht verloren. Er liegt weiter an dem Platz in seinem Elternhaus, an dem ihm seine Mutter täglich verstaute. Murtasa habe nun in der Stadt verbliebene Verwandte, die aufpassen, dass nichts geplündert oder gestohlen wird, gebeten, ihn mit der nächsten Möglichkeit nach Kabul zu schicken. Dann wird er ihn wieder täglich Bestaunen können. Die Familie selbst kann wegen der Gefahren nicht zurück.