Geislingen hat seiner Jugend so einiges zu bieten. Doch eine Altersgruppe kommt dabei zu kurz. Das will Profifußballer Jürgen Klinsmann jetzt ändern – mit einem Kinderhaus in seiner Heimatstadt. Mit dem Gebäude, in dem die Einrichtung entstehen wird, verknüpft er viele positive Erinnerung.

Digital Desk: Lena Hummel (len)

Geislingen - Mehr als ein Vierteljahrhundert waren in der Kanalstraße 19 in Geislingen Fußballschuhe, Wanderstiefel und Skier zu Hause. Jetzt soll in den ehemaligen Räumen des Sportgeschäfts „Sport Gass“ ein Kinderhaus entstehen. K 19, so der Name der Einrichtung, ist ein gemeinsames Projekt der Klinsmann-Stiftung Agapedia und der Stadt Geislingen. „K 19 ist einfach eine Abkürzung für Kanalstraße 19, wo das Kinderzentrum entsteht“, sagt Marika Barth, die Agapedia-Geschäftsführerin. Seit 1995 ist der ehemalige Spitzenfußballer und Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann mit seinem Kinderhilfswerk Agapedia aktiv. Neben einem Kinderzentrum in Esslingen betreibt die Stiftung ein Netzwerk mit sozialen Projekten in Rumänien, Bulgarien, in der Republik Moldau und in Georgien.

 

„Geislingen liegt mir am Herzen, weil ich noch immer eine besondere Beziehung zu dieser Region habe. Dort habe ich wichtige Jahre meines Lebens verbracht. Es ist schon ein Stück weit Heimat für mich“, sagt der 54-jährige ehemalige Spitzenfußballer, der in Geislingen aufgewachsen ist. Doch nicht nur Region und Stadt seien ihm wichtig, auch zu den Räumlichkeiten habe er eine starke Bindung: „Das Sportgeschäft, das dort war, war über viele Jahre eine Anlaufstelle, wenn ich in der Heimat war. Werner Gass, der das Sportgeschäft betrieben hat, war nicht nur mein Jugendtrainer, sondern auch eine Brücke zu meiner Geislinger Vergangenheit.“

Angebote für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren fehlen

Alte Geislinger Bekannte des Sportlers, aber auch Experten aus den Bereichen Soziales und Handwerk sind in den Jahren 2017 und 2018 mehrmals zusammengekommen, um herauszufinden, was Geislingen in Sachen Jugendarbeit braucht. Laut Frank Dehmer, dem Oberbürgermeister der Stadt, waren an einem Workshop zu Beginn der Planungsphase unter anderem Vertreter des Jugendamts, der Musikschule und des Maikäferhäusles beteiligt. Schließlich sei die Idee nicht gewesen, ein Alternativprogramm zu bestehenden Angeboten zu schaffen, sondern eine ergänzende Einrichtung zu etablieren.

„Wir sind dann zu dem Ergebnis gekommen, dass Angebote für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren fehlen – vor allem am Nachmittag, in den Ferien und am Wochenende“, sagt Dehmer. Deshalb richtet sich das K 19 an diese Zielgruppe – vorrangig aus der oberen Stadt. Der Arbeitskreis Kriminalprävention, eine von fünf Kleingruppen, die sich während des Workshops mit der optimalen Nutzung der Räumlichkeiten beschäftigt hatten, sah aus einem weiteren Grund Handlungsbedarf: Es gebe eine wachsende Gruppe unbeaufsichtigter, auffälliger Jugendlicher und Kinder im unmittelbaren Einzugsbereich des K 19. Außerdem haben – das belegen statistische Zahlen, die in der Programmkonzeption aufgeführt sind – überproportional viele Kinder und Jugendliche in der oberen Stadt einen Migrationshintergrund.

Kinder fit fürs Leben machen

Trotzdem gilt grundsätzlich, dass jedes Kind Zugang zum K 19 hat – unabhängig von seiner Herkunft, seiner Nationalität und seiner Religion. „Fit fürs Leben“ lautet der Slogan des Geislinger Projekts, der bewusst gewählt wurde. „Wenn ein Kind keine Unterstützung bekommt, dann ist es häufig eben nicht fit fürs Leben“, sagt Marika Barth. „Durch die entsprechende Unterstützung kann die eigene Biografie aber umgeschrieben werden, Unterstützung kann sozusagen das Leben retten“, fährt sie fort. Planmäßig soll das Kinderzentrum in diesem Frühjahr an den Start gehen. Ob das tatsächlich klappt, kann Marika Barth zum aktuellen Zeitpunkt aber noch nicht sicher versprechen.

Um den Umbau voranzutreiben, ist Agapedia auf Spenden angewiesen. Zwar unterstützt die Kinderhilfsaktion Herzenssache mit 200 000 Euro und die Stadt jährlich mit 100 000 Euro, die Gesamtkosten für das auf drei Jahre geplante Projekt sind aber auf 802 672 Euro kalkuliert. Das sind einerseits Kosten für einmalige Investitionen, wie die Sanierung der Räume und Sport- sowie Spielgeräte, andererseits laufende Kosten für Personal, Betriebs- und Nebenkosten. Für die Nutzung der Räume fallen keine Kosten an. „Das Gebäude gehört inzwischen Agapedia“, sagt die Geschäftsführerin. Jürgen Klinsmann, dem die Immobilie zuvor gehört hatte, hat sie zur gemeinnützigen Nutzung an die Stiftung überschrieben.

Vorläufig für drei Jahre geplant

Wie es nach der vorläufigen Projektlaufzeit von drei Jahren weitergeht, kann Marika Barth noch nicht sagen. „Man kann heutzutage einfach kein Projekt mehr auf 25 Jahre planen“, erklärt sie. Oberbürgermeister Dehmer will in den nächsten drei Jahren beobachten, wie das Projekt angenommen wird. Trotzdem ist er sich sicher, dass das Kinderhaus auch nach seiner Pilotphase fortbestehen wird. „In den nächsten Jahren geht es aber darum zu schauen, wie das Projekt optimiert werden kann“, sagt er. Und Jürgen Klinsmann freut sich inzwischen am meisten auf den Moment, wenn die ersten Kinder im Hause sind: „Wenn Leben in der Bude ist.“