Die Münchner Agentur „Senior Models“ von Christa Höhs vermittelt betagte Models an Werbekunden wie McDonald’s und Mercedes-Benz. Die älteste Schönheit in ihrer Kartei ist eine 85 Jahre alt Dame.

München - Heike K. misst 1,70 Meter bei Konfektionsgröße 38, sie hat langes, weißes Haar und blaugrüne Augen. Hans-Hajo D. bringt es auf 1,83 Meter, trägt 50/98 und ist blondmeliert mit blaugrauen Augen. Beide sehen unverschämt gut aus, wie zwei Menschen mit guten Genen jenseits der 50 eben, die ihr Alter nicht verleugnen, sondern kultivieren. Und sie sind beide über die Münchner Agentur „Senior Models“ für Foto- und Filmaufnahmen, für Werbung und redaktionelle Strecken zu buchen. „Mein erster Kunde war eine Rentenversicherung, dann kam eine Buchung für Kreuzfahrten“, erzählt Christa Höhs, selbst eine Schönheit in fortgeschrittenem Alter, die das Unternehmen vor fast zwanzig Jahren gründete, und gerade das ebenso kritische wie humorvolle Buch „Wenn ich alt bin, werde ich Model“ veröffentlicht hat.

 

„Ich habe mir den Markt ja erst erschaffen. Damals herrschte ein Jugendwahn, da lachte man nur schallend, als man hörte: ,Die vertritt ältere Models’“. Das ist längst anders, der Begriff „alternde Gesellschaft“ ist inzwischen auf dem Zeitschriftenmarkt ebenso angekommen wie in der Werbebranche. Es erscheinen strahlende Senioren in Medikamenten- und Kosmetikanzeigen, in Fernsehspots tollen sie mit Enkelkindern oder fahren Auto. Auf ihre Geschäftsidee kam die inzwischen 72-Jährige, die eigentlich kaufmännisch ausgebildet ist, und lange in der Werbebranche gearbeitet hat, selbst über Umwege.

Mit 50 wurde sie in New York entdeckt

„Mit fünfzig machte ich eine Woche Urlaub in New York, da sprach mich jemand auf der Straße an, ob ich nicht als Model arbeiten wolle. Das habe ich zwei Jahre unter schwierigen Bedingungen gemacht und bin dann zurückgegangen. Als ich in Deutschland ankam, besaß ich kein Geld, war 53 und kriegte trotz 130 Bewerbungen keinen Job, weil ich als zu alt galt.“ Gemeinsam mit einem Bekannten beschloss sie, quasi aus der Not heraus, eine Modelagentur für Ältere zu gründen. „Und dann“, sagt Höhs, eine große, kühle Hamburgerin, „hab ich in die Hände geklatscht und gesagt, das machen wir. Und dann hab ich es gemacht, und er ist irgendwann ausgestiegen“.

Der Anfang war nun auch nicht leicht. „Ich hatte mal in der Komparserie gearbeitet, und andere Komparsen kennengelernt. Die sprach ich dann teilweise an, als ich in meinem Büro saß mit einem Tisch, einem Stuhl, einem Computer und mir als einzigem Model.“ Jeder, sagt Christa Höhs, habe damals Angst gehabt, über das Alter zu sprechen, „als sei es eine Krankheit. Die privaten Fernsehsender hatten ja zum Beispiel nur eine Zielgruppe bis 49 Jahren“. Aber weil ihr Unternehmen so exotisch schien, kamen bald die Medien und berichteten, „irgendwann wurde das dann ein Boulevardthema, und ich geriet über Umwege in eine WDR-Sendung.“ Anschließend sei die Hölle losgebrochen, „jeder wollte Model werden, ganz Deutschland hat geschrieben. Nur keine Kunden.“ Die Unternehmerin traf dann eine Auswahl aus den Bewerbern, und rief die fünfzig größten deutschen Werbeagenturen an, ob ihre Leute dort überhaupt eine Chance bekämen. „Das ging fünfzig zu fünfzig aus.“

McDonald’s und Mercedes-Benz gehören zu den Kunden

Also wurden Poster mit kleinen Steckbriefbildern verschickt, und die ersten Aufträge von bis heute vielen weiteren gingen ein. Von McDonald’s bis Mercedes-Benz – viele große Firmen haben inzwischen schon einmal Senior Models gebucht. Ganz langsam sickert bei den Verantwortlichen wohl die Erkenntnis durch, dass sie, wenn sie ihre Produkte an die große Gruppe der finanzstarken Senioren verkaufen wollen, nicht mit Teenagern werben sollten. „Wir waren aber weltweit die ersten, die dieses Konzept vertraten“, erklärt Höhs.

Inzwischen läuft ihr Geschäft gut, und es funktioniert so, dass der Kunde sich auf ihrer Webseite die Gesichter ansieht, und sich jemanden aussucht, der seinen Vorstellungen entgegen kommt. Die Geschäftsführerin betreut dann die Vermittlung der Senior Models, was, wie sie meint, auch nicht sehr viel anders funktioniere als bei jüngeren.

Obwohl, ein paar Besonderheiten gibt es wohl doch. „Gerade hat zum Beispiel jemand eine Mitte Siebzigjährige gebucht, er wollte die ganz früh in Köln haben und sie wohnt in Frankfurt. Das kann man einer 75-Jährigen nicht mehr zumuten. In dem Alter bekommt man morgens auch erst mal nicht so gut die Augen auf, da ist später besser“. Als „älter“ gilt man in der Branche übrigens von dreißig an, „diese Leute standen früher auf der Straße“. „Senior Model“ ist man bei Höhs aber erst ab 55, ihre betagteste Protagonistin war bis vor kurzem eine zarte 97-Jährige, „sie hat mir aber vor ein paar Tagen gesagt, dass sie nicht mehr reisen kann. Das ist jetzt also vorbei“. Nun ist eine 85-Jährige die Älteste in ihrer Kartei.

Positive Ausstrahlung ist Pflicht

Was muss jemand überhaupt mitbringen, um dort aufgenommen zu werden? „Es tut mir leid, bei mir geht gar nichts mehr“, antwortet Christa Höhs. Sie vertrete inzwischen mehr als 1000 Personen, mehr schaffe sie nicht. Grundsätzlich gelte: „Ich muss die Leute sehen, dann weiß ich, ob sie werbetauglich sind. Sie müssen eine positive Ausstrahlung haben, und das Gesicht muss nicht unbedingt schön oder hübsch, aber auf jeden Fall fotogen sein. Aber ich nehme auch Typen.“ Wichtig ist ihr eine gewisse Natürlichkeit. „Die Gesichter, die ich hier habe, die sind nicht gebotoxt und nicht getackert.“ Für sie persönlich sei es „die Ausstrahlung, die eine Schönheit ausmacht. Die Seele muss gelebt haben. Das zeichnet sich auch im Gesicht ab. Man sieht jemandem einfach an, ob er verbittert ist, oder positiv in die Welt schaut.“

Gefragt, ob sie einen Wunsch hätte an die Medien, die unser Bild vom Alter stark prägen, antwortet Christa Höhs begeistert: „Ich würde wahnsinnig gerne mal eine Modestrecke mit Älteren, zwischen 55 und 70 produzieren, um zu zeigen, die können toll aussehen, wenn sie nur die entsprechenden Klamotten haben. Daran fehlt es total. Damit endlich mal die Modebranche sieht, dass da enorme Kapazitäten sind, dass das eine enorme Geldquelle wäre.“ Die Wahl-Münchnerin hatte wohl sehr früh ein gutes Gespür dafür, was der Begriff „Best Agers“ in der nahen Zukunft bedeuten könnte.