Seit 15 Jahren fördert die Agentur Q von Südwestmetall und IG Metall die berufliche Weiterbildung. Für ihre Arbeit gibt es viel Lob – doch die Doppelspitze hat davon wenig: Mit der Pensionierung des einen Chefs muss auch der andere gehen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Auf ihren gemeinsamen Sprössling können die Industriegewerkschaft Metall und der Arbeitgeberverband Südwestmetall durchaus stolz sein. Gut 15 Jahre ist es her, dass die beiden Tarifvertragsparteien gleichsam Eltern wurden: „Agentur zur Förderung der beruflichen Weiterbildung“, hieß das damals aus der Taufe gehobene Kind, kurz: Agentur Q. Hervorgegangen ist es aus dem 2001 geschlossenen Tarifvertrag Qualifizierung – dafür steht das Q -, der die Unternehmen bei der beruflichen Fortbildung ihrer Mitarbeiter unterstützen sollte. Vor allem kleinen und mittleren Betrieben hilft die Agentur seither mit Rat und Tat, ihre Beschäftigten für den rasanten technologischen Wandel fit zu halten. Zudem vermittelt sie, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht über Fragen der Qualifizierung einigen können.

 

Finanziert wird das fünfköpfige Team von Südwestmetall und IG Metall zu gleichen Teilen, auch im Vorstand herrscht Parität. Die Arbeitgeber vertritt dort der Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick, die Gewerkschaft der Vorsitzende Roman Zitzelsberger. Personalmanager und Ausbilder werden ebenso kostenlos beraten wie Betriebsräte. Für ihre Projekte ergatterte die Agentur aber auch immer wieder beachtliche Fördermittel, etwa vom Stuttgarter Wirtschaftsministerium oder von der EU-Kommission.

„Die Bilanz ist positiv“, loben die Träger

Aktuell unterstützt das Land zum Beispiel ein Projekt, bei dem in Pilotfirmen Weiterbildungskonzepte für die „Industrie 4.0“ erprobt werden, Brüssel bezuschusst ein länderübergreifendes Vorhaben zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Immer wieder werden die Initiativen auch wissenschaftlich begleitet. Auftraggeber und Partner äußern sich vielfach lobend über die Rolle der Agentur Q. Bei Ausschreibungen komme sie deshalb immer wieder zum Zuge, weil sie „einfach gute Konzepte“ vorlege, hört man aus dem Wirtschaftsressort.

Auch die beiden Träger äußerten sich auf Anfrage unserer Zeitung hoch zufrieden. „Die Bilanz ist positiv“, bekundete ein Sprecher von Südwestmetall auch im Namen der IG Metall. Einen „sehr wertvollen Beitrag“ habe die Agentur in den Anfangsjahren bei der Umsetzung des Tarifvertrages geleistet, „sehr erfolgreich“ sei sie bei der stärkeren Einbeziehung von An- und Ungelernten gewesen, „sehr wichtig“ sei ihr Rat etwa beim Projekt „Vom Einstieg zum Aufstieg“, in dem es darum geht, die Metall- und Elektroindustrie für Fachkräfte attraktiv zu halten. Ob man auch Defizite sehe? Dazu stand nichts in der Stellungnahme.

Der neue Chef ist bereits ausgeguckt

Angesichts des Lobs von allen Seiten, sollte man meinen, dürften sich auch die beiden seit der Gründung amtierenden Geschäftsführer hoher Wertschätzung erfreuen. Doch im Umfeld der Agentur Q wundert man sich derzeit zunehmend über den Umgang mit ihnen: der eine, Erhard Pusch, sei dieser Tage sang- und klanglos in den Ruhestand gegangen, der andere, Hans-Joachim Hoos, solle mit Anfang 60 gegen seinen Willen abgelöst werden. Dabei sei er doch bis zuletzt mit hohem Engagement unterwegs gewesen. Pusch war in der Doppelspitze der Mann der Gewerkschaftsseite, Hoos jener der Arbeitgeber.

Längst hat sich herumgesprochen, wer Anfang Oktober alleiniger Chef werden soll: Stefan Baron, Bildungsexperte und Geschäftsführer beim baden-württembergischen Handwerkstag. Dort hat sich Baron, von Haus aus promovierter Verwaltungswissenschaftler, einen guten Ruf erarbeitet. In ihm habe man eine Persönlichkeit gefunden, die „viele positive Impulse“ für die künftige Ausrichtung der Agentur geben werde, bestätigen die Träger. Mit der Digitalisierung, aber auch dem Strukturwandel in der Autoindustrie stünden schließlich große neue Herausforderungen an; zudem solle die Agentur die Weiterbildung künftig stärker wissenschaftlich begleiten.

Doppelspitze soll zusammen abtreten

Die Irritationen entzünden sich nicht an Barons Person, sondern an den Modalitäten des Führungswechsels: Wie passe der kühle (Pusch) beziehungsweise erzwungene (Hoos) Abschied zu den Ansprüchen der „Sozialpartner“, respektvoll mit verdienten Beschäftigten umzugehen? Es sei „schon immer geplant“ gewesen, die beiden Geschäftsführer gemeinsam offiziell zu verabschieden, sagt der Südwestmetall-Sprecher auch namens seiner Gewerkschaftskollegin. Da der genaue Termin von Hoos‘ Ausscheiden noch offen sei, könne man die Veranstaltung bisher nicht planen.

Für die Ablösung des Co-Chefs nennt er vor allem formale Gründe: Von Anfang an habe man sich auf eine gleichberechtigte Führung verständigt; damit sei „immer klar gewesen“, dass beim Ausscheiden eines der beiden Geschäftsführer – sofern keine Nachbesetzung erfolge - auch der andere gehen müsse. Nun habe man sich per „Organisationsentscheidung“ eben auf einen gemeinsam bestellten Chef geeinigt; die frei werdenden Ressourcen sollten „für zusätzliches operatives Fachpersonal“ genutzt werden. Der Familienvater Hoos werde auch nicht in eine unsichere berufliche Zukunft geschickt, hieß es; man habe ihm zwei Alternativjobs im Arbeitgeberbereich angeboten und sei dazu im Gespräch.

Der Noch-Geschäftsführer, der derzeit erkrankt ist, wollte sich auf Anfrage nicht äußern – auch nicht zu den Erwartungen der Träger der Agentur Q. Er solle, hieß es, seinen am 1. Oktober antretenden Nachfolger Baron „in einer Übergangszeit einarbeiten und unterstützen“.