Landwirtschaftsminister Alexander Bonde sagt einen Subventionsverlust von bis zu 100 Millionen Euro für Ökomaßnahmen im Land vorher. Die Bauern geben sich vorerst gelassen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Der grüne Landwirtschaftsminister Alexander Bonde macht sich um die ländlichen Räume im Südwesten Sorgen. Sie seien die „Verlierer“ des von der Bundesrepublik „als großen Sparerfolg verkauften EU-Haushalts“, so der Minister kürzlich. In der anstehenden siebenjährigen Agrarförderperiode von 2014 bis 2020 drohten Baden-Württemberg Kürzungen von bis zu 15 Prozent; Geld, sagt Bonde, das für Agrarumweltmaßnahmen und die Entwicklung der ländlichen Räume fehle.

 

Die Sparvorgaben aus Brüssel treffen die Grünen im Land besonders schmerzlich, weil sich die von ihnen forcierte Energiewende mit dem Ausbau regenerativer Energien und der Verringerung der CO2-Emissionen ganz wesentlich in der Fläche und auch in der Landwirtschaft abspielen soll. Beispiele dafür sind der Regionalwettbewerb „Regiowin“, in den das Land einen hohen Prozentsatz des Brüsseler Geldes leitet, oder das Programm „Spitze auf dem Land“, das kleine Hightechfirmen fördert, die zur Energiewende beitragen.

Alle Politikbereiche lassen Federn

Der jüngst verabschiedete EU-Sparhaushalt wird, so die Befürchtung, manchem hochfliegenden Plan ein Ende bereiten. Mehr als 40 Prozent des EU-Haushalts – rund 60 Milliarden Euro – wurden bisher von der sogenannten Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) aufgezehrt. Nach EU-Schätzungen sind 65 Prozent dieser Gelder Landwirtschaftsbetrieben in den 27 EU-Mitgliedstaaten zugutegekommen. Der neue Landwirtschaftsposten für die kommenden sieben Jahre soll im Zuge der allgemeinen Sparbemühungen erheblich niedriger ausfallen. „Es trifft alle Politikbereiche. Die Landwirtschaft ist vergleichsweise gut weggekommen“, sagt ein Sprecher der EU-Vertretung in München.

Das sieht man in der Stuttgarter Landesregierung nicht so. Baden-Württemberg, heißt es, dürfte besonders hart von der Kürzung betroffen sein, die am 26. Juni von der EU-Kommission, dem Parlament und dem europäischen Rat nach 30 zähen Verhandlungsrunden beschlossen wurde.

Die EU-Subvention der Agrarlandschaft fußt auf zwei Säulen. In Säule eins werden landwirtschaftliche Betriebe in Europa direkt und ohne Einflussnahme von Landesregierungen gefördert. Die Direktzahlungen gibt es als Ausgleich dafür, dass die meisten Agrarpreise seit 1995 in die Nähe des Weltmarktpreises gesunken sind; das Geld fließt unabhängig von der produzierten Menge.

Stellrad der Landesregierung

In der zweiten Säule werden Maßnahmen und Projekte zur Entwicklung des ländlichen Raums subventioniert: Landschafts- und Artenschutzmaßnahmen von Kommunen zum Beispiel oder Maßnahmen, die die Lebensqualität im ländlichen Raum verbessern. Diese zweite Säule wird getragen vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). Bei der Vergabe dieser Gelder haben die Landesregierungen viel Gestaltungsspielraum. In den zurückliegenden sieben Jahren betrug das ELER-Budget europaweit 96,3 Milliarden Euro – in der kommenden Förderperiode werden es nur noch 88 Milliarden sein.

Dass gerade hier, an einem wichtigen Stellrad der grünen Landesregierung, Erschwernisse auftauchen, ärgert den Landwirtschaftsminister. 9,1 Milliarden Euro an ELER-Geldern flossen in den zurückliegenden sieben Jahren nach Deutschland, davon wurden 676 Millionen Euro an Baden-Württemberg gereicht. In der nächsten Förderperiode stehen der Bundesrepublik noch 8,25 Milliarden Euro zu. Stimmt Bondes Vorhersage, dann dürften Baden-Württemberg bis 2020 bis zu 100 Millionen Euro fehlen. Letzte Details werden bis zum Jahresende zwischen dem Bund und den Ländern ausgehandelt . „Das kreiden wir sehr stark der Kanzlerin an, die schlecht verhandelt hat“, sagte eine Ressortsprecherin. Merkel habe „kein Herz gezeigt für den ländlichen Raum“, während andere Mitgliedstaaten wie Frankreich gerade in diesem Bereich Sonderpakete für sich herausgehandelt hätten.

Die Bauern warnen schon einmal

Bei den Landwirten im Südwesten stoßen die Kürzungen zumindest auf Misstrauen. Auch die Regeln für die Direktförderhilfen für Höfe sind geändert worden. Bauern, die besondere ökologische Leistungen nachweisen, zum Beispiel den Erhalt von Grünland oder den Anbau verschiedener Kulturarten, werden künftig bevorzugt bezuschusst. Der Präsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV), Joachim Rukwied, warnte schon einmal vor weiteren Belastungen der Betriebe durch noch mehr Auflagen und Bürokratie. Rukwieds Stellvertreter im Verband, der mehr als 40 000 Landwirte vertritt, ist Gerhard Glaser. Die Sparmaßnahmen der EU kämen nicht unerwartet. „Ich würde sagen, das ist mit Zähneknirschen akzeptierbar“, so Glaser. Beispielsweise könnten Viehhalter künftig Kleegras oder Hülsenfrüchtler (Leguminosen) als Futtermittel anbauen und damit die strengeren EU-Förderauflagen erfüllen.