Am Freitag beginnt in Berlin die Grüne Woche. Zwischen Messeständen mit Leckereien aus aller Welt wird dort auch über die Zukunft der Agrarproduktion diskutiert. Dabei könnten selbstständige Feldroboter eine wichtige Rolle spielen.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Der Allgäuer Traktorenbauer Fendt ist bekannt für leistungsstarke Hightech-Schlepper. Das Spitzenmodell 1050 Vario wiegt 14 Tonnen und hat 517 PS. Im Vergleich dazu wirkt der kleinste Fendt aller Zeiten wie ein Spielzeug. Er hört auf den Namen Mars, wiegt gerade mal 40 Kilo, und sein Elektroantrieb leistet bescheidene 200 Watt. Mars steht für Mobile Agricultural Robot Swarms – also für mobile landwirtschaftliche Roboter, die als Schwarm zusammenarbeiten.

 

Nach den Vorstellungen der Entwickler sollen je nach Größe des Ackers eine Handvoll oder auch mehr als 100 der grün-weißen Mars-Roboter ausrücken, um zum Beispiel Mais zu säen. Im Werbevideo gibt der Landwirt über eine App nur das gewünschte Feld, Saatmuster und Saatdichte sowie die Anzahl verfügbarer Roboter an. Anschließend stellt er am Feldrand die Logistik-Einheit ab. Sie ist das Mutterschiff der Roboter und dient als Garage, Ladestation, Saatgutlager und Kommunikationszentrale. Nach dem Druck auf den „Start“-Button schwärmen die GPS-gesteuerten Roboter aus. Der Landwirt kann sich derweil anderen Dingen widmen oder per Tablet beziehungsweise Smartphone den Arbeitsfortschritt verfolgen.

Durch ihr geringes Gewicht seien die Roboter sehr bodenschonend – besonders, wenn der Boden noch feucht ist, sagt Benno Pichlmaier, Leiter der Vorentwicklung bei Fendt. Wo große Maschinen tiefe Spuren hinterlassen würden, sinken die Leichtgewichte kaum ein. Dadurch kann man im Frühjahr früher säen – und den Pflanzen einen Vorsprung verschaffen. Der Energiebedarf der Mini-Fendts sei minimal, werden die Batterien mit Ökostrom geladen, ist ihr Betrieb klimaneutral. Auf dem Acker fallen ohnehin keine Emissionen an, und auch kein Öl kann auslaufen. Zudem sind die Roboter so leise, dass sie auch nachts in der Nähe von Siedlungen arbeiten können.

Beitrag zur Präzisionslandwirtschaft

Der Roboterschwarm ist nach Ansicht der Fendt-Techniker ein wichtiger Beitrag zur Präzisionslandwirtschaft – neudeutsch: Precision Farming. Weil die Position jedes Saatkorns und damit auch jeder Pflanze bis auf zwei Zentimeter genau erfasst wird, könnten Dünger und Pflanzenschutzmittel mit bisher unerreichter Genauigkeit und damit sparsam eingesetzt werden. Das spart Geld und schont die Umwelt. Fendt sieht die Mars-Roboter aber nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu seinen Großtraktoren. Zur Bodenbearbeitung taugen die Winzlinge ohnehin nicht – um Pflug oder Egge zu ziehen, braucht man ordentlich Pferdestärken. Bei leichteren Feldarbeiten seien dagegen viele Einsatzgebiete denkbar – etwa die Verteilung von Dünger oder die Bekämpfung von Unkraut, sagt Pichlmaier. Doch zunächst soll das Mars-System nur säen. „Wir haben uns bewusst auf eine Anwendung konzentriert, um die Technik so einfach wie möglich zu halten.“

So kommen die Mars-Roboter mit wenigen Sensoren und ohne Kamera aus. „Das spart Kosten und senkt das Ausfallrisiko“, so Pichlmaier. Zur Orientierung reichen die GPS-Signale. Sollte es mal zum Zusammenstoß von Roboter und Mensch kommen, bleibe angesichts der niedrigen Geschwindigkeit (bis fünf km/h), des geringen Gewichts und der minimalen Leistung allenfalls ein blauer Fleck zurück. Einen Termin für die Markteinführung der Roboter, die im Rahmen eines von der EU-geförderten Forschungsprojekts gemeinsam mit der Hochschule Ulm entwickelt wurden, nennt Fendt nicht. Viel positives Feedback komme etwa aus Afrika und Indien. Die kleinen Roboter seien nicht nur etwas für Großbetriebe, sie ermöglichten auch kleineren Bauern eine Rationalisierung zu vertretbaren Kosten, argumentieren die Entwickler.

Der Agrarroboter von Bosch ist ein Alleskönner

Eine Gewichtsklasse über Fendts Mars-Robotern spielt der Bonirob von Bosch. Der „multifunktionale Agrarroboter“ ist etwa so groß wie ein Kleinwagen und bringt gut eine Tonne auf die Waage. Alle vier Räder werden elektrisch angetrieben und lassen sich in jede beliebige Richtung verstellen. Das macht den Roboter extrem wendig. Auch der Einsatz mehrerer Exemplare als Schwarm soll möglich sein.

Während sich die Fendt-Techniker erst mal auf die Aussaat beschränken, setzt Bosch auf Variabilität. So kann der Bonirob etwa säen, düngen oder spritzen. Ein Highlight ist die mechanische Unkrautbekämpfung: Eine Kamera erkennt mithilfe eines Bildverarbeitungsprogramms unerwünschte Konkurrenz und drückt das Unkraut mit einem Stempel so tief in den Boden, dass es nicht weiterwächst. Natürlich kennt auch Bonirob die exakte Position von Nutzpflanzen und Begleitflora.

„Im Prinzip kann man damit jede Pflanze so individuell behandeln wie im Gartenbau“, sagt Bosch-Entwickler Amos Albert. Das könnte zum Beispiel in der Pflanzenzüchtung von Nutzen sein. Bei der Entwicklung neuer Sorten müssen die Eigenschaften sehr vieler Einzelpflanzen erfasst werden – etwa der Befall mit einer bestimmten Blattkrankheit. Diesen zeitaufwendigen Job könnte der Roboter übernehmen, meint Albert. Er könne auch genauer als ein Mensch zählen – zum Beispiel den Anteil aufgegangener Samenkörner.

Fahrbares Labor für neue Technologien

Laut Albert dient der Bonirob zunächst aber vor allem als fahrbares Labor, um neue Technologien und Komponenten zu testen. Dass Bosch selbst Landmaschinen baut, ist eher nicht zu erwarten. Der Konzern ist aber ein wichtiger Zulieferer für diesen Sektor. Und die Digitalisierung der Landwirtschaft lässt den Bedarf an Sensoren, Steuerungen, Kameras oder Software weiter steigen – nicht nur bei Kleinrobotern, sondern auch bei großen Landmaschinen.

Moderne Traktoren bieten ein Sammelsurium an elektronischen Fahrhilfen. Spurassistenten steuern den Schlepper ohne Zutun des Landwirts bolzengerade über den Acker. Das vermeidet Überlappungen und spart Sprit und Zeit. Hightechlandmaschinen kommunizieren auch untereinander und greifen auf elektronische Schlagdateien zu. Der Mähdrescher misst, wie viel er an welcher Stelle geerntet hat. Daraus ermittelt eine Software, wie viel Dünger auf den einzelnen Teilflächen gebraucht wird.

Elektronische Deichsel für Traktoren

Fendt bietet auch eine elektronische Deichsel für Traktoren an. Dabei fährt ein fahrerloser Schlepper schräg versetzt hinter einem bemannten Fahrzeug und kopiert dessen Manöver. Eventuellen Hindernissen weicht er selbstständig aus. Wann werden auch große Maschinen völlig autonom fahren? „Die Technik dafür ist verfügbar“, sagt Fendt-Entwicklungschef Heribert Reiter. Voraussetzung sei aber, „dass man das System so absichern kann, dass nichts passiert“. Auch die Oma, die auf dem abgeernteten Acker noch ein paar Maiskolben oder Kartoffeln aufklaubt, müsse zuverlässig erkannt werden.

Der Fendt-Konkurrent Case IH scheint hier weniger Bedenken zu haben. Im Herbst präsentierte der US-Landmaschinenkonzern einen autonomen Großtraktor, der nicht mal mehr eine Fahrerkabine hat. Ein bisschen gruselig sieht er schon aus.

Landwirtschaft 4.0

Trend
Der digitale Wandel hat längst auch die Landwirtschaft erfasst. Melkroboter melken 24 Stunden am Tag, und auch auf dem Acker sind autonome Systeme im Kommen. Vernetzte Landmaschinen sammeln eine Menge Daten, die sich zur Optimierung der Produktion nutzen lassen. Bauernvertreter fordern, dass diese Daten bei den Landwirten bleiben. Die Nutzung für Werbung oder zum Ausspähen von Betriebsgeheimnissen müsse tabu bleiben. Landwirtschaft 4.0 könnte auch zu einer besseren Kontrolle und Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln beitragen, wie sie sich viele Verbraucher wünschen.

Umwelt Vernetzte Maschinen können Dünger und Pflanzenschutzmittel sparsamer einsetzen. So muss etwa statt der gesamten Fläche nur der von einem Schädling befallene Teil eines Feldes behandelt werden. Das senke die Umweltbelastung, meint Fendt-Entwicklungschef Heribert Reiter, der die heutige Form der Landwirtschaft in vielen Bereichen für „nicht nachhaltig“ hält.

Folgen Investitionen in die digitale Landwirtschaft erfordern viel Kapital. Kritiker fürchten, dass kleinere Familienbetriebe dadurch noch stärker unter Druck geraten könnten.