Aus Biomasse lässt sich klimaschonend Gas gewinnen, das sich zur Stromproduktion und zum Heizen einsetzen lässt. Weil aber die Förderbedingungen schlechter geworden sind, werden keine neue Anlagen gebaut. Das bereitet der Branche Sorgen.

Stuttgart - Es war nicht immer einfach. Als der Landwirt Hugo Sekler im Jahr 2002 auf seinem Hof bei Ellwangen eine Biogasanlage in Betrieb nahm, gab es noch nicht viel Erfahrungen mit dieser Technik. Aber der engagierte Landwirt wollte seine Hühnerställe, in denen er Masthähnchen züchtet, umweltfreundlich mit selbst produzierter Wärme beheizen und dazu den Mist der Hühner nutzen. Neben der Wärme produziert der mit Biogas betriebene Motor auch Strom, der ins Netz eingespeist wird, was nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) kräftig gefördert wird. Somit diente die Anlage auch als zweites Standbein neben der Hühnerzucht.

 

Dass dies alles gar nicht so einfach ist, bekam Hugo Sekler bald zu spüren: Es lief nicht so richtig rund. Die Mischung aus Hühnermist und pflanzlicher Biomasse bereitete Probleme. So wurde mit verschiedenen „Futtermischungen“ für die Bakterien in den Gärsilos experimentiert, auch wurden Änderungen an der Anlage vorgenommen. „Das hat schon einige Nerven gekostet“, erinnert sich der heute 54-jährige Sekler, der Hühnchenmast und Biogasanlage zusammen mit Frau und Sohn betreibt.

Als mit den Jahren alles zufriedenstellend funktionierte, wurde aufgerüstet. Seit 2009 produziert ein zweites Blockheizkraftwerk beim Nachbarn neben Strom auch Wärme für dessen Hähnchenzucht. Weiterhin wurde ein Fernwärmenetz für mittlerweile zehn Haushalte aufgebaut. Als Substrate für die Biogasproduktion dienen heute neben fein austariert zugegebenem Hähnchenmist und Rindergülle auch Silomais, Grassilage und Silage aus ganzen Getreidepflanzen, kurz GPS genannt.

Anlage versorgt Bürger mit Wärme

Inzwischen ist die Technik ausgereift. Davon profitiert auch die Ende 2013 fertiggestellte Biogasanlage in Gussenstadt bei Heidenheim, die gleich von Anfang an problemlos funktionierte. Dafür galt es dort, ganz andere Aufgaben zu meistern: Die Anlage wird von einer Genossenschaft betrieben, an der neben 28 Landwirten auch die Gemeinde Gerstetten – zu der auch Gussenstadt gehört – und weitere Mitglieder beteiligt sind. Da müssen viele Interessen unter einen Hut gebracht werden. Das Ziel aber ist klar: „Bei unserer Anlage hier in Gussenstadt hat der Wärmebedarf Vorrang“, berichtet Thomas Häcker, der nicht nur seine eigenen Kühe und Schafe versorgt, sondern auch für den Betrieb der Biogasanlage zuständig ist. Das dort produzierte Gas dient vor allem dazu, über ein Blockheizkraftwerk Wärme für fünf kommunale Gebäude – darunter das Rathaus – sowie mittlerweile 74 Privathaushalte zur Verfügung zu stellen. Die Biogasanlage kostete 2,2 Millionen Euro, für das Nahwärmenetz kommen weitere 1,6 Millionen hinzu. Beim Verlegen der Leitungen für den Transport der Wärme wurden gleichzeitig Leerrohre für Glasfaserkabel verlegt, über die demnächst die Gussenstädter mit schnellem Internet versorgt werden.

„Mit die größte Herausforderung war, die Leute davon zu überzeugen, ihre Heizung auf das Wärmenetz umzustellen“, erinnert sich Thomas Häcker. Weil die Anlage vor allem der Wärmeproduktion dient, wird sie im Winter stärker genutzt als im Sommer. Deshalb erzeugt sie in der kalten Jahreszeit auch mehr Strom – was dem bundesdeutschen Stromnetz nutzt, denn sie wird auch als sogenanntes virtuelles Kraftwerk eingesetzt und verdient damit zusätzlich Geld (siehe Seite 2).

Schlechtere Förderbedinungen bremsen Biogas aus

Biogas als gespeicherte Sonnenenergie flexibel zur Stromproduktion einzusetzen, das wird zunehmend das Ziel dieser umweltfreundlichen Energiequelle. Denn sie eignet sich hervorragend für die Rolle des Lückenfüllers, wenn weniger Strom aus Wind und Sonne zur Verfügung steht, betont der Fachverband Biogas. Er geht davon aus, dass die bundesdeutschen Biogasanlagen in den nächsten Jahren eine Ausgleichsleistung von 5300 Megawatt zur Verfügung stellen können – was etwa 18 modernen Erdgaskraftwerken mit einer Leistung von 300 Megawatt entspricht. Derzeit stehen laut Verband rund 8000 Biogasanlagen mit einer installierten elektrischen Leistung von 4000 Megawatt in Deutschland. In Baden-Württemberg sind es knapp 900 Anlagen.

Ob es trotz des noch reichlich vorhandenen Potenzials an vergärbarer Biomasse in den kommenden Jahren mehr werden, bleibt abzuwarten. Derzeit jedenfalls ist im Land der weitere Ausbau dieser umweltfreundlichen Energiequelle praktisch zum Erliegen gekommen, wie Jörg Messner berichtet, der einzige staatliche Biogasberater im Land. Seit vergangenem August seien jedenfalls keine größeren Anlagen mehr gebaut worden. Grund ist das 2014 novellierte EEG, das nun deutlich schlechtere Förderungsbedingungen vorsieht. „Anlagenerweiterungen sind nicht mehr wirtschaftlich möglich“, konstatiert Messner. Daher müsse nun eine weitere Erhöhung der Effizienz im Vordergrund stehen. Dazu zählen eine optimierte Nutzung der Wärme, eine flexible Stromerzeugung und die Direktvermarktung von Strom und Wärme.

Fraglich ist, ob sich die für eine Aufrüstung nötigen Investitionen für eine alte Anlage lohnen, bei der nach 20 Jahren die Förderung ausläuft. Vor dieser Ungewissheit steht bald auch Hugo Sekler. Immerhin hat die Politik das Problem erkannt. Manche Länder – darunter Baden-Württemberg – suchen nun nach Möglichkeiten, auch in Zukunft bestehende Anlagen zu fördern, wenn sie aufgerüstet werden.

Wie Biogasanlagen noch umweltfreundlicher werden

Flexibilität
Mehrere Biogasanlagen lassen sich so miteinander zusammenschalten, dass sie am Netz wie ein Kraftwerk eingesetzt werden können – daher die Bezeichnung virtuelles Kraftwerk. Dazu müssen sie aber flexibel Strom produzieren können. Vor allem wenn sie sogenannte Regelenergie bereitstellen, also dazu beitragen, das Stromnetz stabil zu halten, müssen sie bei Bedarf schnell abgeschaltet oder hochgefahren werden. Diese Flexibilität wird extra vergütet, wobei sich die Betreiber von Biogasanlagen und virtuellem Kraftwerk den Gewinn teilen.

Substrat
Naturschützer sehen Maissilage als „Futter“ für die Bakterien wegen der intensiven Anbaumethoden mit dem damit verbundenen Einsatz von Dünger und Pestiziden kritisch. Daher wird mit neuen Energiepflanzen experimentiert. Gute Ergebnisse gibt es mit der Durchwachsenen Silphie, einer gelb blühenden Pflanze. Sie ist pflegeleicht, lässt sich als Dauerkultur 15 bis 20 Jahre lang nutzen und liefert dank neuer Anbaumethoden gute Erträge. Bei trockenem Wetter – so wie in diesem Jahr – kann sie sogar den Mais übertreffen