PV-Module auf Stelzen ermöglichen eine Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen. Während Experten davon ausgehen, dass dies einen Beitrag zur Energiewende leisten kann, reagieren Bauern auch kritisch.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Das Prinzip ist einfach: Auf dem Acker wird doppelt gemoppelt. Hier werden Lebensmittel geerntet – und Sonnenstrom. Die Solarmodule auf Stelzen, Agri-PV genannt, sind auf Deutschlands Feldern eher noch in der Erprobungsphase, in anderen Teilen der Welt gehören sie bereits zum Landschaftsbild, beispielsweise in Japan, China, Frankreich und den USA.

 

Forscher der Universität Hohenheim haben nun ausgerechnet: Zehn Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe könnten auf einem Prozent der Ackerfläche Deutschlands etwa neun Prozent des bundesweiten Strombedarfs decken. Das entspreche drei Atomkraftwerken, heißt es in einer Mitteilung der Universität.

Arndt Feuerbacher sieht sich nicht als „Apostel für Agri-PV“, wie der Hohenheimer Wissenschaftler es nennt. „Es ist eine Lösung“, sagt der Juniorprofessor. „Die Frage ist, was sonst die Alternative sein kann. Und nichts zu tun ist leider keine Lösung.“ Der Vorteil der aufgebockten Solarkraftwerke sei, „dass sie uns Flexibilität geben, sie erweitern den Baukasten“. Denn: „Wir haben viel vor.“

Streit zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands

Vor allem der Süden hat bekanntlich Nachholbedarf beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Es zeichnet sich ab, dass hier das Thema Photovoltaik eine große Rolle spielen dürfte. Bedeutet, dass es Flächen braucht, auf denen Solarstrom geerntet werden kann, auch in der Region Stuttgart und auf der Filderebene, die als Hochplateau sonnengünstig liege. Arndt Feuerbacher sagt, Agri-PV könne ein Kompromiss sein. Erhebungen zufolge fällt die Ernte im Schnitt um bis zu 40 Prozent geringer aus, einige Kulturen verzeichnen keine oder kaum Einbußen.

Was aber halten Bauern davon, künftig zusätzlich Sonnenstrom zu ernten? Drei Stichproben auf den Fildern sprechen eine deutliche Sprache: „Gewiss nicht in Bernhausen“, sagt Ernst Schumacher, der dortige landwirtschaftliche Obmann. „Die Böden sind viel zu gut, das wäre kontraproduktiv.“ Klaus Brodbeck aus Stuttgart-Möhringen spricht von einem Missbrauch der Ackerflächen. Er findet die Debatte „unüberlegt und kurzfristig gedacht. Unsere Aufgabe ist es, Nahrungsmittel zu produzieren.“ Der Plieninger Obmann, Michael Gehrung, verweist auf den Aufwand, der für die Landwirte steigen würde. „Jeder Pfosten im Feld macht mehr Arbeit.“ Für ihn gehören PV-Anlagen auf Dächer, „auf dem freien Feld hat das nichts verloren“.

Die Position des Deutschen Bauernverbands klingt ähnlich, wenn auch nicht kategorisch ablehnend. „Generell muss PV vorrangig auf Gebäuden installiert werden“, teilt der Sprecher Axel Finkenwirth mit. „Hier besteht vor allem in den Städten ein großer Nachholbedarf – auf Mietshäusern genauso wie auf Supermärkten, Logistikzentren und anderen gewerblichen Gebäuden. Dennoch gelte: „Viele Bauern sehen in Agri-PV eine Chance“, so Axel Finkenwirth. „Die PV-Module sind zugleich Schirm gegen Hagel und zu starken Regen.“ Dass es wohl letztlich die Mischung machen wird, ist einem Faktenpapier des Fraunhofer ISE zum Thema Photovoltaik zu entnehmen: „Heute ausschließlich auf eine oder einige wenige dieser möglichen Anwendung zu setzen wird der Dringlichkeit der Energiewende nicht gerecht.“

PV effizienter als Energiepflanzen

Um die Flächenverhältnisse einzuordnen: Laut dem Statistischen Bundesamt wird knapp die Hälfte der Fläche in Deutschland landwirtschaftlich genutzt, Siedlungen hingegen machen nicht einmal ein Viertel aus. Auf 22 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche werden Nahrungsmittel für Menschen angebaut, auf 60 Prozent indes Viehfutter. Auf weiteren 14 Prozent wachsen Energiepflanzen. Die Einschätzung des Fraunhofer ISE: Die Sonne bringt mehr Energie als Mais oder Raps.

Mit derlei Vergleichen wäre er vorsichtig, sagt Florian Reyer. Man dürfe nicht alles dem Strom unterordnen. Florian Reyer von der Hofgemeinschaft Heggelbach am Bodensee sammelt seit dem Jahr 2016 mit Forschern der Universität Hohenheim Erfahrung mit Agri-PV. Seither hat er auch gut zu tun mit all den Fragen, die auf seinen Hof einprasseln. Seine bisherige Bilanz: „Das funktioniert“, sagt Florian Reyer. Und er sei ein „Verfechter der Energiewende“. Doch er bremst die Euphorie. „Ich sehe die Gefahr, dass wir Deutschland mit PV zubauen“, sagt Florian Reyer. „Da bin ich zu sehr Landwirt an der Stelle.“ Wichtig sei es, kleine, individuelle Lösungen zu finden, „keine Großanlagen von Investoren“.

Ausbau der erneuerbaren Energien

Flächen
Das Fraunhofer ISE geht davon aus, dass es in Deutschland nicht an Flächen für Photovoltaik mangelt. „Ohne nennenswerte Konflikte mit der Landwirtschaft oder dem Naturschutz“, heißt es in einem aktuellen Faktenpapier. Wichtig sei die Integration, sprich Doppelnutzung – sei es auf Äckern, Seen, als Gebäudehülle, über Parkplätzen oder Straßen.

Ausbau
Das überarbeitete Erneuerbare-Energien-Gesetz sieht vor, dass Erneuerbare bis 2030 insgesamt 80 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland decken. Das entspricht einer Verdopplung zu heute. Regenerative Energien stehen nun zudem im überragenden öffentlichen Interesse. Dass es beim Ausbau in Deutschland ein Nord-Süd-Gefälle gibt, führt zu Streit. Die Nordländer fordern aufgrund des Ungleichgewichts verschiedene Strompreiszonen.