Imam Rasheed beklagt die Spaltung der Gesellschaft. Politiker würdigen die Ahmadiyya-Gemeinde.

Weil der Stadt - Wie ist das eigentlich mit dem Kopftuch? „Das interessiert mich“, sagt Angelika Gauss. Gespannt sitzt sie im großen Gebetsraum der Weil der Städter Moschee, zusammen mit weiteren 15 Menschen. Allzu viele kommen nicht zum Neujahrsempfang, den Organisator Sabahuddin Zia stört das aber nicht. „Auch, wenn wir nur einer Person etwas von unserer Wahrheit vermitteln können, dann hat es sich schon gelohnt.“

 

Aber ein Neujahrsempfang im März? Zia schmunzelt. Nein, das hat nichts mit dem islamischen Jahreskalender zu tun, sagt er auf Nachfrage. Früher habe man es einfach nicht geschafft – denn die Moschee-Gemeinde in Weil der Stadt ist aktiv. Sabahuddin Zia erzählt den Gästen zunächst von all den Aktionen: Am Neujahrstag putzen sie schon seit vielen Jahren in den Altstädten von Leonberg, Renningen und Weil der Stadt den Silvestermüll weg. Es gibt viele Treffen, mit Bürgermeistern, mit Schulklassen, mit anderen Religionsvertretern, mit interessierten Gruppen.

Grußwort ohne Schuhe

„Unsere Tür steht für jeden offen, egal welcher Religion“, erklärt Sabahuddin Zia den Besuchern des Neujahrsempfangs. Auch dazu sind wieder einige Vertreter der Zivilgemeinden gekommen. „Ein solcher Empfang bietet schließlich die Möglichkeit, sich kennenzulernen“, sagt Martin Buhl (CDU), der Weil der Städter Gemeinderat und stellvertretende Bürgermeister, in seinem Grußwort. „Durch die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, werden Vorurteile abgebaut.“ Er freue sich, dass die Ahmadiyya-Gemeinde seit vielen Jahren ein aktiver Teil von Weil der Stadt sei. Erstmals ist Martin Kaufmann (SPD), der Oberbürgermeister von Leonberg, zu Gast in der Weiler Moschee. „Ein Grußwort ohne Schuhe zu halten, ist für mich etwas Besonderes“, sagt er und schmunzelt. Er betont, dass die hier betenden Muslime genauso zu Deutschland gehören. „Ich wünsche vielen Menschen, dass sie mitbekommen, welche Botschaft Sie in Ihren Herzen tragen“, sagt er. Dazu gehörten nämlich Nächstenliebe, Barmherzigkeit und die Gleichberechtigung von Frau und Mann.

Die Moschee in Weil der Stadt, direkt neben dem Bahnhof, gibt es seit zehn Jahren. Vorher hatten die Ahmadiyyas – eine aus Pakistan stammende Konfession des Islam – in Gebetsräumen in Renningen, Warmbronn und Leonberg gebetet. Seit zwei Jahren betreut der Imam Tahssin Rasheed die Weiler Moschee. Beim Neujahrsempfang ist es vor allem ein Wort, das er sich in seiner Ansprache wünscht: Friede. „Nur wenn wir den Frieden fördern, kann unsere Gesellschaft weiterleben“, sagt er.

Der Weiler Imam diagnostiziert ein gespaltenes Land

Nicht ohne Grund geht er so sehr auf den Frieden ein. Der Weil der Städter Imam diagnostiziert derzeit ein gespaltenes Land, das einerseits von den islamischen Terroristen, andererseits von den Rechtsextremen bedroht wird. „Mit der harmlos klingenden Formel, ‚Das wird man doch noch sagen dürfen’ verunsichern die Rechtsextremen die Bürger“, beklagt Tahssin Rasheed. „Und die Terroristen töten Menschen aus Habsucht und Hass, es geht ihnen um die Vertiefung des Grabens zwischen dem Westen und der islamischen Welt“, ist der Theologe überzeugt.

Von der Weiler Moschee solle stattdessen die Botschaft des Friedens, der Liebe und der Barmherzigkeit ausgehen. Das überzeugt auch die Weil der Städter Angelika Gauss und Joachim Stadler, die zum ersten Mal hierher gekommen sind. „Die Botschaft der Friedfertigkeit kommt rüber“, sagt Joachim Stadler. Und Angelika Gauss macht sich auf, um die Frage nach dem Kopftuch zu stellen. „Wenn die Frauen es freiwillig tragen, finde ich das völlig okay“, sagt sie. „Das aber live zu hören, ist doch etwas anderes.“