Es gleicht einem Puzzlespiel: Conrad Hoffmann baut mit dem Heimatverein Waiblingen eine kostenlose Datenbank auf. Sie soll unter anderem Hobby-Heimat-Forschern die Suche nach ihren Vorfahren erleichtern.

Waiblingen - Sturzbesoffen von der Wirtshausstaffel gefallen und verschieden. Er war ein Säufer“ – mit diesen lapidaren Worten hat der für die Ortschaft Neustadt zuständige Pfarrer um 1780 den Tod eines seiner Schäflein im Kirchenbuch vermerkt. Einträge wie dieser sind eher selten – und machen die Arbeit von Conrad Hoffmann erst so richtig interessant. Schließlich blitzt da zwischen Zahlen und dürren Fakten zu Geburt, Heirat und Tod eines Menschen für einen Augenblick das pralle Leben hervor. „Bei manchen Namen steht ,unerlaubt entwichen’ dabei – der hat wohl seine Familie im Stich gelassen“, erzählt Conrad Hoffmann, der mittlerweile einen Blick für die deutsche Kurrentschrift entwickelt hat.

 

Seit drei Jahren schafft sich der Flensburger, der seit 1985 in Waiblingen-Neustadt lebt, durch die mittlerweile digitalisierten Kirchenbücher seiner Gemeinde – Zeile für Zeile, Jahrzehnt um Jahrzehnt, Jahrhundert für Jahrhundert. Immer wieder stößt er auf interessante Geschichten: Emigranten, die voller Hoffnung nach Russland und Bessarabien auswanderten – und nach wenigen Monaten ernüchtert zurückkehrten. Einen Mann, der in der Rems ertrunken ist. Eine Masernepidemie, die 1814 viele Kinder das Leben gekostet hat. Und eine beachtliche Anzahl „Zwei-Monats-Schwangerschaften“, wie er schmunzelnd berichtet.

Arbeit an der Datenbank

Etwa fünf bis sechs Stunden pro Woche sitzt der 67-Jährige am Rechner, zwei Monitore hat er vor sich auf dem Tisch stehen. Auf dem linken Bildschirm ist eine Datei mit der eingescannten Version des Kirchenbuchs zu sehen – inklusive Tintenklecksen, Schreibfehlern und Eselsohren. Die dort vermerkten Namen, die Geburts-, Hochzeits- und Sterbedaten entziffert er, stellt anhand von Auszügen aus einem Familienregister die verwandtschaftlichen Zusammenhänge einer Sippe her und überträgt die Daten in das Formular einer Datenbank, die er vor sich auf dem zweiten Bildschirm sieht.

Dieses „Familienregister Unteres Remstal“ ist ein Projekt unter dem Dach des Heimatvereins Waiblingen, das der Familienforscher Helmut Haufler-Knöpfle ins Leben gerufen hat. In Zukunft soll es alle Kirchenbuchdaten der Waiblinger Ortschaften Neustadt, Hegnach, Bittenfeld und Beinstein sowie der Gemeinde Korb enthalten und Hobby-Ahnenforschern die kostenlose Suche nach ihren Vorfahren erleichtern. „Hegnach ist komplett erfasst und die Familien sind verbunden“, sagt Helmut Haufler-Knöpfle, der derzeit Beinstein bearbeitet und weitere fleißige Helfer wie Conrad Hoffmann sucht, welche sich künftig um die Orte Korb und Hohenacker kümmern.

Geduld und Beharrlichkeit gefragt

Die Arbeit sei wie ein Puzzlespiel, sagt Conrad Hoffmann, der festgestellt hat, dass Neustädter viele Kontakte zu Schwaikheim, Korb und Affalterbach hatten, aber kaum verwandtschaftliche Beziehungen zu ihren direkten Nachbarn in Hohenacker eingingen. Bisweilen tüftelt er ein, zwei Tage an besonders kniffligen Zeilen herum. „Mancher Pfarrer hat geschrieben wie eine Wildsau“, klagt der 67-jährige kaufmännische Angestellte in Rente, der sagt, für dieses Hobby müsse man schon eine Portion Geduld und Beharrlichkeit mitbringen. Warum er sich engagiert? „Ich finde es wichtig, dass das jemand macht“, sagt Conrad Hoffmann, „schon meine Kinder tun sich sehr schwer damit, Handschriften zu entziffern.“ Das falle ihm, der damit aufgewachsen sei, noch leichter. Und da er seit vielen Jahren in Neustadt wohne, seien ihm auch viele Namen ein Begriff.

Da gibt es welche, die spurlos verschwunden, aber auch etliche, die bis heute verbreitet sind. Fried und Häussermann gehören dazu, wobei Conrad Hoffmann inzwischen weiß, dass diese einst zugewandert sind. „Im Jahr 1634 ist Neustadt wie viele Orte im Remstal verwüstet worden und danach kam die Pest“, erzählt Hoffmann. Nicht viele Menschen überlebten diese Katastrophen. Ein gewisser Martin Fried, vermutlich ein Bauer, gehörte zu den Zuwanderern, er ließ sich irgendwann zwischen 1694 und 1697 in Neustadt nieder, kam aber ursprünglich aus Conters im schweizerischen Kanton Graubünden und hatte noch einen Zwischenstopp in Deizisau im Landkreis Esslingen eingelegt.

Ab dem Jahr 1634 sind Aufzeichnungen über Neustadt vorhanden, die Kirchenbücher gehen bis 1876. „Dann übernehmen die Standesämter“, weiß Conrad Hoffmann, der seit 30 Jahren Ahnenforschung betreibt und einen Stammbaum mit rund 8500 Menschen erarbeitet hat. Da kommen sie wieder ins Spiel, die Geduld und die Beharrlichkeit, die Conrad Hoffmann auch weiterhin benötigen wird: „Ein bis zwei Jahre habe ich mit dem Erfassen der Daten von Neustadt wohl noch zu tun.“

Mitmachen!

Wer sich am Aufbau der Datenbank beteiligen möchte, kann sich bei Helmut Haufler-Knöpfle melden. Seine E-Mail-Adresse: helmut.haufler-knoepfle@t-online.de