Will ein Bauherr in der Stadt nur wohnen, oder will er seinen Betrieb verlagern? Der Petitionsausschuss des Landtages hatte über eine schwierige Frage zu urteilen.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Aichtal - Ein klein bisschen hat sich der Vorsitzende des Petitionsausschusses Karl Zimmermann gefühlt, als sei er hinters Licht geführt worden. Zuvor war ihm der Bauantrag eines Stuttgarter Geschäftsmannes in Aichtal ganz einleuchtend erschienen.

 

Der Mann hatte sich im Jahr 2015 eine alte Druckerei am Ortsrand von Aichtal-Grötzingen gekauft. Er verdient sein Geld damit, dass er Unfallautos schätzt und im Auftrag von Versicherungen weiter verkauft. Dazu brauche ein Büro und für seine 24-Stunden-Rufbereitschaft eine Wohnung.

Wohnen nicht zulässig

Er hatte nach dem Kauf ein erstes Baugesuch eingereicht, bei dem der Anteil der Wohnfläche im Gebäude deutlich über dem Anteil für das Gewerbe gewesen wäre. Das Landratsamt Esslingen und die Stadtverwaltung Aichtal argwöhnten, dass der Geschäftsmann sich hier nur eine billige Wohnung verschaffen wolle und lehnten das Baugesuch ab. Die Begründung war, dass in einem Gewerbegebiet das Wohnen nicht zulässig sei, hieß es.

Darüber hinaus startete der Gemeinderat ein Bebauungsplanverfahren. Denn das fragliche Gebiet neben der Raiffeisenstraße war nie unter den Fittichen einer modernen Stadtplanung gewesen, und das wollte der Gemeinderat nachholen. Wegen des Bebauungsplanverfahrens wurde eine Veränderungssperre erlassen, das heißt, der Geschäftsmann darf das Gebäude nicht weiter renovieren und auch nicht sein Call-Center einziehen lassen. Demnächst wird der Bebauungsplan beschlossen, in der Satzung wird stehen, dass Wohnen verboten ist und Ausnahmen nicht zulässig sind.

In dieser Patt-Situation hatte der Mann den Petitionsausschuss des Landtags angerufen. Normalerweise geht der Ausschuss nur in ein Prozent aller Fälle vor Ort, aber die Sache schien es wert. Am Freitag war also großer Empfang im Aichtaler Rathaus gewesen. Vertreter des Regierungspräsidiums, des Wirtschaftsministeriums, der Stadt und des Landratsamtes hatten den Sitzungssaal voll belegt. Den Vorsitz führten der Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann (CDU) und Andreas Kenner (SPD). Carola Wolle (AfD) aus dem Wahlkreis Neckarsulm war ebenfalls dabei.

Blick in die alte Druckerei hinein

Karl Zimmermann plädierte dafür, einer 24-Stunden-Rufbereitschaft einen Sozialraum zu ermöglichen, sowie eine Übernachtungsmöglichkeit, eine Dusche und einen Ort, wo sich ein Mitarbeiter Kaffee kochen könne. Schließlich beschwor er die Vertreter der Stadt und des Landratsamtes geradezu, man könne doch dem 390 Quadratmetern Betrieb rund 40 Quadratmeter Sozialfläche zugestehen, das wären ja gerade einmal zehn Prozent.

Könne man alles, sagte das Landratsamt, aber wohnen, im Sinne von „dort einziehen“, das gehe eben nicht. Die Diskussion weitete sich auf. Karl Zimmermann sprach davon, dass die Landesregierung darauf hinarbeiten wolle, wohnen und arbeiten an einem Ort zusammen zu führen, um die Verkehrsprobleme der Region Stuttgart zu verringern – und schließlich ging die Runde vor Ort nach Grötzingen.

Hier verringerte sich dann auch etwas, nämlich die Bereitschaft des Ausschusses, sich für den Mann einzusetzen. Nach Art des Umbaus und der dort gelagerten Baumaterialien hat es für Zimmermann so ausgesehen, als solle dort hauptsächlich eine Wohnung gebaut werden.

Diese Innensicht machte aus einem anscheinend überpeniblen Aichtaler Stadtbaudirektor einen Beamten mit Augenmaß, und aus der starren Front des Landratsamtes, eine Behörde, die ihre Rechtsmittel richtig einsetzt. Der Ausschuss empfahl nun dem Geschäftsmann, einen neuen Bauantrag zu stellen. Die Petition bleibt einstweilen ruhen.