Herbert Schaible ist Schäfer mit Leib und Seele. Doch führt er einen harten Existenzkampf. Immer höhere Kosten und die Bürokratie erschweren den Alltag.

Aidlingen - Behände klettert Herbert Schaible über das Gatter und nimmt ein Lamm in den Arm. Der 50-Jährige ist Schäfer mit Leib und Seele, wie er sagt, einen anderen Beruf könne er sich gar nicht

 

vorstellen. Doch ernährt der Betrieb in Aidlingen-Dachtel kaum seine Familie. „Wenn ich es umrechne, komme ich auf einen Stundenlohn von fünf Euro“, sagt er. Und dennoch will er seiner Zunft treu bleiben. Denn für ihn gibt es nichts Schöneres, als mit seinen Tieren über die Winterweiden zu ziehen und die Natur zu genießen. Um etwas Werbung für die Schäferei zu machen, hat er sich zu einem Tag der offenen Tür bereit erklärt: Am Samstag nach Ostern wird er den Besuchern zeigen, wie Schafe geschoren werden.

1,30 bis 1,50 Euro pro Kilogramm Wolle

Die Zeiten sind längst vorbei, als noch hundert Schafe ausreichten, um über die Runden zu kommen. „Das war in den fünfziger Jahren“, erinnert sich Hermann Schaible, der nun im Ruhestand ist, seinen Söhnen Bernd und Herbert den Betrieb übergeben hat und einst die Schäferei von seinem Vater übernahm. „Damals haben wir noch fünf Mark pro Kilogramm Wolle erhalten“, sagt der 80-Jährige. Die Wolle sei damals auf dem Markt begehrt gewesen. Je nach Qualität erhält Herbert Schaible zur Zeit noch 1,30 bis 1,50 Euro je Kilogramm. Pro Schaf fallen drei bis vier Kilogramm Wolle an. Laut Schaibles Kalkulation entstehen bei der Schafschur jedoch Kosten je Tier von vier bis fünf Euro. „Die Wollproduktion ist also eigentlich nur just for fun“, bilanziert er – ein reines Vergnügen für die Zuschauer am Tag der offenen Tür.

Immerhin hat er vor Ostern 120 Lämmer in dem Laden im Schlachthof Gärtringen verkauft. Pro Tier hat er hundert Euro erhalten. Das Fleisch gehe aber auch besonders an muslimischen Feiertagen weg, sodass zusammen mit der Wolle im Jahr doch Einnahmen von 55 000 Euro zu Buche schlagen. Demgegenüber rechnet Schaible mit jährlichen Ausgaben von 60 000 bis 70 000 Euro, die sein Betrieb verursacht. „Wenn ich die Zuschüsse aus den Landes- und EU-Töpfen in Höhe von insgesamt 40 000 Euro jährlich nicht erhalten würde, könnte ich nicht überleben“, sagt der Vater von drei Kindern.

Viele kleine Weiden – das macht viel Arbeit

Erschwert werde der Existenzkampf im Kreis Böblingen dadurch, dass es keine großen Weideflächen gebe. Seine 110 Hektar rund um Aidlingen teilen sich in 300 Parzellen auf. Das nimmt mehr Zeit, Kraft und Geld in Anspruch als bei einem Betrieb, der die Tiere auf einer riesigen Weide halten kann. „Die Zuschüsse werden nach der Gesamtfläche gewährt“, sagt Schaible, „für mich ist das Wettbewerbsverzerrung.“

Dennoch will der Schäfer möglichst unverdrossen weiter machen. Auch wenn die Bürokratie überhand genommen habe, wie er sagt, und ihm kaum noch freie Zeit lasse. Alle neugeborenen Lämmer benötigen inzwischen eine elektronisch lesbare Marke im Ohr, gegen die der Aidlinger geklagt und verloren hat. „Die alte Betriebsmarke ließ sofort erkennen, woher das Schaf kommt“, sagt der 50-Jährige. Der jetzige Chip im Ohr dagegen sei viel aufwendiger und deute nicht gleich auf die Herkunft hin. Zudem benötige man ein spezielles Lesegerät, um die Daten aufzunehmen. „Ein solches hat eh kaum jemand“, kritisiert er.

Immer mehr Bürokratie

Jetzt müssen die Schäfer Bestandsregister führen. Schaible chippt nun rund 150 Mal im Jahr, so viele Lämmer kommen bei ihm auf die Welt. 200 hat er zurzeit, daneben noch 450 Mutterschafe, mit denen er momentan noch auf der Winterweide ist und von Ort zu Ort durch den Schwarzwald zieht. Von Hirsau geht es an diesem Wochenende auf den Truppenübungsplatz Calw und danach wieder nach Hause.

Weil er sich ständig auch noch um die Lämmer im Stall kümmern und Büroarbeit verrichten muss, pendelt Herbert Schaible mit seinem Auto nun immer hin und her und lässt seine Schafherde stets für einige paar Stunden mit den Hunden alleine.

Der Wolf ist auf dem Vormarsch

Denn nun droht weitere Unbill. Wölfe seien von Mecklenburg-Vorpommern auf dem Vormarsch. Eine Besprechung mit seinen Kollegen und eine Informationsveranstaltung jage die andere. „Wir müssen uns wappnen, unsere Ställe dicht machen und für eine sichere Einzäunung auf den Weiden sorgen“, erklärt Herbert Schaible. Das gehe enorm ins Geld. Wer aber davor zurückschrecke, bekomme keine Ausgleichszahlungen, wenn seine Schafe gerissen würden. Letztlich gebe es nur eine Alternative: den Betrieb zu schließen.