Zwei Bieter haben sich bei der Zwangsversteigerung der Oberen Mühle in Aidlingen einen harten Kampf geliefert. Am Ende steht fest: Das Areal bleibt im Besitz der Familie Oehler.

Böblingen - Im Saal vier des Stuttgarter Amtsgerichts herrscht an diesem Freitagmittag eine gespannte Stille. Unruhig scharren die Anwesenden mit den Füßen und rascheln mit Papier, während draußen vor den Fenstern der Verkehr am Neckartor vorbeirauscht. Auch Ewald Oehler ist die Anspannung anzumerken, denn für ihn steht viel auf dem Spiel.

 

Hier entlang: „Das Ende einer Tradition“

Immerhin wird an diesem Tag sein Elternhaus – die historische Obere Mühle in Aidlingen (Kreis Böblingen) samt den drumherum liegenden Gebäuden und Grundstücken im Familienbesitz – zwangsversteigert, um eine zerstrittene Erbengemeinschaft aufzulösen, die aus Ewald Oehler und seinen beiden Brüdern besteht. Er selbst wolle auch mitbieten, hatte der 79-Jährige vor Beginn der Verhandlung gesagt – aber nur auf einzelne Flurstücke und nicht auf das Gesamtkonvolut. „Wenn das nicht geht, dann habe ich da drin nichts mehr verloren. Dann werde ich sofort gehen“, sagte der Müllermeister, der in dem historischen Gebäude nicht nur aufgewachsen ist, sondern dort auch lange Jahre als Müller gearbeitet hat.

Gesamtverkehrswert von 1,444 Millionen Euro

Die Versteigerung erwies sich zunächst als recht zähe Angelegenheit. Lediglich zwei Gebote wurden zu Beginn abgegeben: Ein Privatmann interessierte sich für den zu dem Anwesen gehörenden Garten am Mühlkanal, während die Gemeinde Aidlingen ein Auge auf die südlich des Wasserlaufs der Aid gelegene Grünfläche geworfen hatte, auf der ein Schwarzwaldhaus sowie eine Windmühle in Miniaturformat stehen und schon seit Jahrzehnten die Blicke vieler Aidlinger Kinder auf sich ziehen. Das gesamte, zur Versteigerung stehende Areal bestand darüber hinaus noch aus dem historischen Mühlgebäude an der Aidlinger Hauptstraße, einem Stallgebäude aus dem Jahr 1957, einem 1870 erbauten, leer stehenden Wohn- und Scheunengebäude sowie einem teils vermieteten Vierfamilienhaus aus dem Jahr 1990. Ein Gutachter hatte den Gesamtverkehrswert mit 1,444 Millionen Euro angegeben.

Nur wenige Minuten vor Ablauf der Bieterfrist warf Ewald Oehler schließlich seinen Hut in den Ring und gab ein Gebot für Teile des Anwesens ab, darunter das alte Scheunengebäude. Allerdings konnte er die von seinem Bruder Eberhard Oehler geforderte Sicherheitsleistung nicht erbringen, weshalb das Gericht seine Gebote zurückwies. „Das gibt es doch gar nicht“, schimpfte der 79-Jährige und verließ wütend den Raum. Schon im Vorfeld des Versteigerungstermins hatte er stets versucht, den Verkauf des Familienstammsitzes zu verhindern – letztlich allerdings erfolglos. Einige Äcker und Wiesen, die sich ebenfalls im Besitz der Familie Oehler befunden hatten, waren bereits zuvor unter den Hammer gekommen.

Die Obere Mühle bleibt im Familienbesitz

Dann entspann sich plötzlich doch noch ein regelrechter Bieterwettstreit zwischen Ewald Oehlers Bruder Eberhard Oehler und einem privaten Bieter aus dem Remstal, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Beginnend mit einem Startgebot von 722.000 Euro für das gesamte Anwesen schaukelten sich die beiden Männer teilweise in zähen 500-Euro-Schritten bis zu einem finalen Gebot von 1,11 Millionen Euro hoch. Bei diesem Betrag strich der Remstaler schließlich die Segel, Eberhard Oehler erhielt den Zuschlag für das gesamte Anwesen. So bleibt die Obere Mühle auch weiterhin im Familienbesitz.

Was er mit seinem neuen alten Besitz, der durchaus als das Aidlinger Ortsbild prägend bezeichnet werden kann, nun plant, das konnte Eberhard Oehler am Freitag noch nicht sagen. Seine familiären Bindungen zu dem Areal sowie der Wunsch, dass dieses erhalten bleibt, seien für ihn jedenfalls ausschlaggebend zum Mitbieten gewesen, sagte er.

Die Obere Mühle in Aidlingen

Tradition:
Im Besitz von Oehlers Vorfahren ist die Obere Mühle seit dem Jahr 1886, damals trug die Familie allerdings noch den Namen Nonnenmacher. Lange liefen die Geschäfte der Müllersfamilie gut, immerhin waren die Gärtringer Landwirte dank des Mühlenbanns gezwungen, ihr Korn in der Oberen Mühle mahlen zu lassen. In den 1950er Jahren richtete Ewald Oehlers verstorbener Vater Erwin dort sogar eine vollautomatische Kleinmühle ein. Wegen Unstimmigkeiten mit der Polizei wegen der Verkehrsbelastung durch die Landwirte, die mit ihren Traktoren auf der Hauptstraße warteten, siedelte der Betrieb kurz danach in das Gewerbegebiet um, wo er sich heute noch befindet.

Ursprünge:
Zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird die Obere Mühle im Jahr 1495. Ewald Oehler geht aber davon aus, dass das historische Gebäude wie die Aidlinger Kirche aus dem 11. Jahrhundert stammen könnte. Als Indiz nennt er vermeintliche Schießscharten, die in die in Richtung Aid blickende Hauswand des Gebäudes integriert sind