Die Homepage der Stuttgarter Aids-Hilfe ist aktualisiert. Beim Posten des Geschäftsführers steht nur noch N.N. – das war am Montag noch anders. Da schien der Mann, der die Geschicke des Vereins 16 Jahre lang geführt hatte, noch im Amt zu sein. Doch am Freitag hatte ihn der zweiköpfige Vorstand entlassen – fristlos.
In der Pressemitteilung, die am Montag verschickt wurde, tauchten die Gründe für den Schritt nicht auf. Auch war der Zeitpunkt der Kündigung überraschend: Es ist die heiße Phase vor der CSD-Parade an diesem Samstag, da kann man im Verein eigentlich keinen zusätzlichen Stress gebrauchen.
Man habe früher die Reißleine ziehen sollen, meint die Vorständin
Inzwischen bereut zumindest eine der beiden Vorstandsfrauen, Laura Halding-Hoppenheit, nicht gleich am Montag die Gründe für die Kündigung offen kommuniziert zu haben. Mit dem Alter des ehemaligen Mitarbeiters, das stellt sie klar, habe es nichts zu tun. Hintergrund: In der Pressemitteilung hatte gestanden, dass die Aids-Hilfe-Arbeit „einen neuen und jungen Blick auf Themen und Angebote“ verlange.
Die „zu milde“ Pressemitteilung habe viele in der Community irritiert. Sie habe am Montag eine SMS nach der anderen bekommen. Was sie ebenfalls bereue: „Wir hätten viel früher die Reißleine ziehen müssen.“
Der Hauptgrund für die Kündigung: „Er hat mit seinem Auftreten die Institution gefährdet“, so Halding-Hoppenheit. Man habe „großen Personalverschleiß und großen Vorstandsverschleiß“ zu beklagen gehabt, erklärt Halding-Hoppenheit. Er habe sich immer wieder beleidigend verhalten. Auch viele Vereinsmitglieder hätten gekündigt – und wollten nun wieder eintreten. Konkret am Freitag habe er sich gegenüber Mitarbeitenden massiv im Ton vergriffen.
Als Geschäftsführer den Verein vor der Insolvenz gerettet
Die zweite Vorständin, Tanja Hoyer, würde die Öffentlichkeit am liebsten bei dem Thema raushalten. Der Verein brauche Ruhe, ist ihre Botschaft. Zudem habe der Gekündigte auch Verdienste. Diese betont auch Laura Halding-Hoppenheit: So stand die Institution, als er anfing, vor dem Aus, die Insolvenz drohte. Dass es dazu nicht kam, sei ihm zu verdanken, so Halding-Hoppenheit. „Die Aids-Hilfe hätte es ohne ihn nicht mehr gegeben, das muss man ihm zugute halten“, betont auch ein ehemaliger langjähriger Vorstand. „Nur – sein Verhalten geht gar nicht.“ Das sei schon lange ein Problem. Auch er selbst gehöre zu denjenigen, die wegen des Geschäftsführers das Amt niedergelegt hätten.
Umstritten war der Geschäftsführer tatsächlich schon länger. „Ein Riss geht durch die Stuttgarter Aids-Hilfe“, lautete die Überschrift über einem Artikel aus unserer Zeitung vom Mai 2017, in dem es vor allem um Konflikte mit Ehrenamtlichen und ehemaligen Mitarbeitenden ging. Laura Halding-Hoppenheit stellte sich damals hinter ihre Führungskraft. Nun nicht mehr. Gerade in den vergangenen zwei Jahren sei es schlimmer geworden.
Der langjährige Geschäftsführer hat mit der Kündigung nicht gerechnet
Nicht nur Mitarbeitende, auch Kooperationspartner und Geldgeber hätten sich beim Vorstand über das Verhalten des Geschäftsführers beschwert, darunter HIV-Schwerpunktärzte und die Stadt. Es hätten finanzielle Konsequenzen gedroht. Auch habe die Gefahr bestanden, aus dem Verband der Aids-Hilfen zu fliegen, so Halding-Hoppenheit. Er habe auch sie selbst im Netzwerk Facebook rund um den Weltaidstag als „Dilettantin“ verunglimpft.
Der Ex-Geschäftsführer antwortet per SMS auf unsere Anfrage: Er bitte um Verständnis, dass er sich zur derzeitigen Situation der Aids-Hilfe Stuttgart nicht umfassend äußern wolle. Für ihn sei die fristlose Kündigung am Freitag nach mehrwöchigem Krankenstand „überraschend“ gekommen. Er müsse sich erst noch sortieren. „Klar ist, dass ich immer – und das sowohl fachlich als auch wirtschaftlich erfolgreich – bis heute die Interessen der Aids-Hilfe Stuttgart e. V. vertreten habe“, betont er. Die Aids-Hilfe sei ihm „nach wie vor ein Herzensanliegen“. Er wünsche dem Verein nur das Beste. Für ein Hausverbot, das gegen ihn ausgesprochen wurde, gebe es „keine Gründe“. Er halte es für „unbedingt notwendig“, dass die Mitglieder spätestens im September ihren Vorstand „komplett neu und kompetent besetzen“. Die Geschäftsführung müsse „schnellstmöglich wieder qualifiziert wahrgenommen“ werden. Hausintern fehle diese Expertise derzeit, schreibt er.