Aktionärsschützer üben harsche Kritik an der Airline Air Berlin. Promis sollen dort kostenlos geflogen sein. Mehdorns Rolle ist noch unklar.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Wegen der skandalträchtigen Gratisflüge für Prominente bei Air Berlin gerät nun auch der neue Vorstandschef Hartmut Mehdorn unter Beschuss. Als Mitglied des Verwaltungsrats der Fluglinie und als langjährigem Vertrauten von Ex-Chef Joachim Hunold könnten Mehdorn die fragwürdigen Begünstigungen kaum entgangen sein, kritisiert die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Die SdK sieht hohen Schaden für Aktionäre und fordert rasche Aufklärung.

 

Michael Kunert hat als Aktionärsschützer schon manche Unverfrorenheit von Unternehmen erlebt. Auch bei Air Berlin sparte der SdK-Experte nicht mit Kritik, seit Mitgründer Hunold die Fluglinie 2006 an die Börse brachte. Damals warb TV-Moderator Johannes Kerner für die Aktie. Und Hunold präsentierte sich in TV-Shows von Sabine Christiansen als schlagfertiger Charmebolzen. Die Schattenseiten blieben da meist verborgen. Die trickreiche Firmenkonstruktion mit einer britischen Dachgesellschaft zum Beispiel führte dazu, dass Gewerkschaften und Betriebsräte ausgebremst und die jährlichen Hauptversammlungen an einem Londoner Flughafen abgehalten wurden - vor meist nur ein paar Dutzend Anlegern, die die lange Anreise nicht scheuten.

Die Kritik von Kunert & Co. war meist berechtigt, denn die Aktionäre hat Air Berlin auf ganzer Linie enttäuscht. Seit Jahren fliegt das Unternehmen in den roten Zahlen, die Kursentwicklung ist alles andere als erfreulich. Vor wenigen Wochen musste Hunold schließlich seinen Chefsessel für Nachfolger Mehdorn räumen, der einen harten Sanierungskurs angekündigt hat. Dazu gehört auch die Streichung von Gratisflügen von Prominenten - wie am vergangenen Wochenende durch einen offenkundig lancierten Bericht in der Springer-Presse bekannt wurde.

Steuerpflichtige Leistungen nicht versteuert

Doch die eigentliche Nachricht ist nicht die Streichung der Gratisflüge, sondern deren jahrelange Existenz. Air Berlin gibt sich auf Anfragen einsilbig, hat den Bericht in der "Bild am Sonntag" jedoch auch nicht dementiert. Also darf man davon ausgehen, dass das offenkundig aus erster Hand informierte Blatt richtig liegt. Demnach durften mehr als 100 Prominente aus Wirtschaft, Sport, Kultur und Unterhaltung sowie deren Familien die Flugverbindungen der defizitären Airline weltweit kostenlos nutzen. Und das offenbar viele Jahre lang.

Für Kunert ist das ein beispielloser Skandal. "Natürlich gibt es für Prominente bei vielen Unternehmen etwas gratis, weil sich die Anbieter davon kostenlose Werbung versprechen", sagt der SdK-Experte. Air Berlin aber habe den Berichten zufolge ganze Familien gratis durch die Gegend geflogen. Der Gipfel jedoch sei, dass die defizitäre Fluglinie den reichen Promis auch noch die geldwerten Vorteile erstattet haben soll, die dem Fiskus bei solchen Vergünstigungen zu melden und zu bezahlen sind. "Das schlägt dem Fass nun wirklich den Boden aus", sagt Kunert.

Der Aktionärsschützer vermutet millionenschwere Schäden für das Unternehmen und seine Anteilseigner. Kunert fordert daher, Schadenersatzansprüche besonders gegen Hunold zu prüfen, der die Fluglinie so selbstherrlich geleitet habe "wie ein Sonnenkönig". Aber auch Vorstand und Verwaltungsrat müssten erklären, ob und wann sie von den Gratisflügen wussten.

Kunert will eine Liste der kostenlos geflogenen Promis offenlegen

Dabei hat Kunert auch Mehdorn im Visier - denn der Ex-Bahn-Chef saß bereits seit Jahren im Verwaltungsrat von Air Berlin, bevor er seinen alten Bekannten Hunold ablöste. "Wenn Mehdorn wirklich aufräumen will, muss er für völlige Transparenz sorgen und diese Vorgänge restlos aufklären", fordert der SdK-Experte. Auch die Ergebnisse der Ermittlungen von KPMG, die nun die Vorgänge prüfen soll, gehörten auf den Tisch.

Kunert erwartet zudem, dass die Promis, die Gratisflüge bekamen, zumindest das Geld für die geldwerten Vorteile an Air Berlin zurückzahlen. "Das wäre das Mindeste", sagt der Aktionärsschützer. Schließlich sei auch zu überlegen, ob die Liste der Promis, die profitierten, nicht ebenfalls offenzulegen sei. "Die Zahlungen für die Versteuerung der geldwerten Vorteile müssten ja verbucht sein", ergänzt Kunert.

Das Prominenten-Gratisflug-Programm will der neue Air-Berlin-Chef Mehdorn den Berichten zufolge nun bis Jahresende stoppen. Dann werden auch gute Freunde der defizitären Firma trotz Goldkarte ihre Flüge wohl oder übel bezahlen müssen - wie jeder andere auch.