Das Seniorenheim Paulinenpark im Stuttgarter Westen verkauft bis Januar einen Kalender mit Abbildungen von verstorbenen Bewohnern. Sie sollen deren Leben würdigen.

S-West - Gerlinde R. lächelt in die Kamera. Ihre dunklen Augen fokussieren den Fotografen. Ein wacher und lebendiger Blick liegt in ihrem Gesicht. Es ist von vielen Linien zerfurcht. Die 1926 geborene R. verstarb vor zwei Jahren im Seniorenheim Paulin enpark an der Seidenstraße. Der Heimleiter Eberhard Frei hat das Foto von der Bewohnerin kurz vor ihrem Tod im März 2018 aufgenommen. Von Müdigkeit oder Schwäche zeugt ihr Lächeln nicht. Es scheint, als sei R. bis zuletzt voller Lebensfreude gewesen.

 

Das Foto von R. ist das Bild des Monats Januar in dem Kalender des Paulinenheims. Er ist mit insgesamt zwölf Abbildungen in schwarz-weiß bis Januar bei dem Seniorenheim erhältlich.

Jedes Blatt erhält Erinnerung

Jedes Kalenderblatt erhält neben dem Foto eine Erinnerung an die abgebildete Person. Über R. ist zu lesen, dass sie gerne mit anderen Bewohnern aus dem Heim die Bar eines benachbarten Hotels besucht hat. R. scheint eine Frau gewesen zu sein, die das Leben bis zuletzt genossen hat. Wer das Foto auf dem Kalenderblatt ansieht, kann sich die elegant wirkende Dame gut mit einem Drink in der Hand in der Hotelbar vorstellen. Neben. R. seien elf weitere, verstorbene Heimbewohner in dem Kalender abgebildet, erklärt Heimleiter Frei. Er bezeichnet sich selbst als Hobbyfotografen. Frei hat elf der Fotos auf Festen und Veranstaltungen im Heim Paulinenpark geschossen. Ein weiteres habe eine weitere Mitarbeiterin der Einrichtung beigesteuert.

Heimleiter hatte die Idee

Die sakralen Bilder der Künstlerin Hilde Reiser schmückten in den vergangenen Jahren die Kalender der Einrichtungen. Die Künstlerin verstarb vor einiger Zeit, erzählt Frei. Der Heimleiter habe im vergangen Jahr die Idee gehabt, eigene Fotos von den Senioren im Heim für den Kalender des kommenden Jahres zu verwenden, meint er. Ein Kalender mit Heimbewohnern aus Nordrhein-Westfalen habe ihn dazu inspiriert. Die Fotos sollen das Leben der Dargestellten würdigen, sagt er. „Es sind Gesichter, die eine Geschichte erzählen“, meint Frei. Die auf den Kalenderblättern vermerkten Erinnerungen an die abgebildeten Personen sollen dem Betrachter Aspekte dieser sehr persönlichen Geschichten vermitteln.

Viele Exemplare sind verkauft

Frei berichtet, dass bereits die Hälfte der bestellten 50 Exemplare verkauft seien. „Wir können nachbestellen, wenn der Bedarf da ist“, sagt er. Angehörige, aber auch Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen sowie mit den Einrichtungen zusammenarbeitende Arztpraxen zeigten bisher Interesse, schildert er.

Die Erlöse sollen in einer Zukunft genutzt werden, in der die Coronapandemie den Bewegungsspielraum von Heimbewohnern nicht mehr einschränkt. „Vor der Pandemie sind wir mit unseren Bewohnern mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Killesberg oder nach Fellbach gefahren. Wir können schon mit wenig Geld, etwas organisieren“, sagt Frei. Die Aussicht auf Ausflüge vielleicht schon im kommenden Jahr sei angesichts der derzeitigen Restriktionen und der erzwungenen Isolation der Heimbewohner ein Trost, meint der Heimleiter. Das Jahr 2020 sei für Bewohner wie für das Pflegepersonal eine Belastung gewesen. „Jeder Kalender, den wir verkaufen, freut uns als eine Geste der Solidarität“, sagt er.