Seit 2010 gibt es in Schorndorf-Schlichten (Rems-Murr-Kreis) ein „private Viewing“ aller Deutschland-Spiele für Familie, Freunde und Nachbarn – und für einen guten Zweck.

Die Gastgeber haben an alles gedacht. An warmes Wasser, um bei der Winter-Fußballweltmeisterschaft in Katar das gekühlte Bier zu stauchen, und an Holzspäne für den Vorplatz, falls der Untergrund zu tief wird. Nur mit den Japanern und deren Sieg im letzten Gruppenspiel gegen die Spanier haben Meik Unrath und seine Freunde nicht gerechnet. Die Deutschen sind am Donnerstag trotz des 4:2-Sieges gegen Costa Rica ausgeschieden. Und damit schließt eigentlich auch nach nur drei Spielen der private WM-Schuppen in der Lanzengasse in Schlichten schon wieder seine Pforten.

 

Über dem Schuppen weht die schwarz-rot-goldene Fahne

2010, zur WM in Südafrika, haben Meik Unrath, Steffen Hofele, Sven Hees und Benjamin Aurenz die große Scheuer zum ersten Mal mit Bänken und Tischen, Fahnen und Lichterketten für das „private viewing“ hergerichtet. „Wir hatten einfach keine Lust jedes Mal den Berg nach Schorndorf herunterzufahren“, sagt Benjamin Aurenz. Also hatte Meik Unrath, dessen Eltern der Schuppen gehört, rechtzeitig zur Eröffnungsfeier im Scheichstaat auch diesmal wieder die schwarz-rot-goldene Fahne auf dem Masten an der Spitze der mächtigen Fichte aufgezogen – mit Hilfe eines Krans. Denn dann weiß jeder der etwas mehr als 800 Einwohnerinnen und Einwohner von Schlichten, dass der WM-Schuppen wieder geöffnet hat.

„Zu uns kann der ganze Flecken zum Gucken kommen. Bei den normalen Weltmeisterschaften im Sommer sind im Schnitt immer 100 da. Jetzt im Winter waren es etwas weniger, vielleicht um die 60“, sagt Meik Unrath. Auch handverlesene Reingeschmeckte sind warm eingepackt zum Gucken in den unbeheizten Schuppen gekommen. Wie der ehemalige Schorndorfer OB Matthias Klopfer, der jetzt Rathauschef in Esslingen ist. „Er hat sich das Spiel Deutschland gegen Spanien angeschaut“, sagt Meik Unrath.

Von einem Boykott halten sie nichts

Fußball ist in dem Teilort von Schorndorf aber eigentlich nur Mittel zum Zweck. In erster Linie, erklärt der Hausherr, gehe es ihnen um die Gemeinschaft und das Zusammenkommen. Von einem Boykott der WM hielten sie schon deshalb nichts, weil in den vergangenen durch die Coronapandemie geprägten Jahren wenig Gemeinschaft möglich war. „Für uns stand außer Frage, dass wir unseren WM-Schuppen auch diesmal öffnen. Auch wenn bei diesen Weltmeisterschaften sicherlich vieles nicht richtig gelaufen ist“, sagt Meik Unrath. Zumal der Protest jetzt ohnehin zu spät komme, ergänzt Benjamin Aurenz. „Das hätte man dann schon vor zwölf Jahren machen müssen.“

Die vier Freunde nutzen den Fußball für gute Zwecke. Denn immer, wenn sie Beamer und Großleinwand für Familie, Nachbarn, Freunde aufbauen, denken sie auch an andere. „Bei uns ist Selbstbedienung, und wir haben eine Spendenkasse“, sagt Steffen Hofele, der Grillmeister der Gastgeber. Natürlich füllt sich der Topf umso mehr, je länger die Deutschen im Turnier dabei sind. Insofern gesehen war die WM in Katar wenig ergiebig, wie schon vor vier Jahren der Titelkampf in Russland, als das deutsche Team ebenfalls nach der Gruppenphase die Koffer packte. Gespendet wird aber immer. „Wir haben schon Spielsachen für den Kindergarten in Schlichten gekauft, den Kinderchor unterstützt, und auch das Kinderhaus Pusteblume in Schorndorf“, sagt Benjamin Aurenz.

Hoffen auf den Ortschaftsrat

Das frühe Aus der deutschen Nationalmannschaft bei den diesjährigen Weltmeisterschaften ist deshalb nicht nur für die Fußballfans aus dem Flecken bedauerlich, sondern auch für den guten Zweck. Die 2000 Euro, die ein öffentlicher Defibrillator kostet, seien nämlich noch längst nicht beieinander, sagt Meik Unrath. Und den wollen die Gastgeber mit den diesjährigen Spenden für Glühwein, Bier, Rote Würste und Brezeln für den Schorndorfer Ortsteil kaufen. „Jetzt müssen wir gucken, ob unser Ortschaftsrat oder unsere ortsansässigen Gewerbetreibenden noch was drauflegen“, sagt Meik Unrath. Und vielleicht, so der 35-Jährige, werde der Schlichtener WM-Schuppen ja doch noch zu den Halbfinals und dem Finale geöffnet – auch ohne deutsche Beteiligung.

Die Deutschlandfahne wird nicht vom Baum geholt. „Sie hängt so lange oben, bis der Wind sie zerfetzt hat“, sagt Meik Unrath und grinst. Auch das hölzerne Schild mit der eingebrannten Aufschrift „WM-Schuppen Lanzengasse“, das Heiko Brecht, der Schwager von Meik Unrath vor zwölf Jahren gemacht hat, bleibt. Schließlich steht 2024 die Europameisterschaft im eigenen Land an.