Fast eine Geheimsache ist die Beringung des Steinkauz-Nachwuchses in Steinheim, aus guten Gründen. Diesmal aber darf eine Gruppe an dem faszinierenden Ereignis auf einer Streuobstwiese teilhaben. Es ist ein besonderes Erlebnis, für alle Beteiligten.
Recht spannend macht es Sinja Werner an diesem Sonntagnachmittag. Erst eine halbe Stunde vor Beginn hebt die Biologin aus Großbottwar den Daumen und zeigt sich bereit, jetzt eine junge Brut von Steinkäuzen zu beringen - und dafür auch Publikum zuzulassen. Das seltene Ereignis wird von der ASS Steinheim, der Arbeitsgemeinschaft Streuobstwiesen Steinheim, und der Foge arrangiert, der Forschungsgemeinschaft zur Erhaltung einheimischer Eulen – die wiederum in Abstimmung mit der Vogelwarte Radolfzell aktiv ist.
Die beiden Gemeinschaften brauchen einander. Die ASS hilft, Eigentümer zu finden, die auf ihren Streuobstwiesen Nistkästen für die im Bestand bedrohten Eulen installieren lassen, die Steinkäuze wiederum sorgen dafür, dass die Zahl der Mäuse auf den Obstwiesen nicht überhandnimmt. Es geht um Artenschutz und die Erhaltung der vertrauten Kulturlandschaft.
Als es losgeht, wird nur noch geflüstert
So kommt beim Wellarium eine Gruppe Interessierter zusammen, samt einem Dutzend Kinder. Sie sind besonders aufgeregt angesichts des anstehenden Ereignisses. Wo genau das passiert, darf nicht verraten werden. Aus zwei gewichtigen Gründen, wie sich bald zeigen wird. Es geht auf eine schöne große, alte Streuobstwiese im Gewann Gmeiner. Dort hat Sinja Werner unter einem prächtigen alten Birnbaum alles vorbereitet. Ein Eimerchen mit feiner Holzwolle, ein rotes Säckchen, eine Schlaufe mit durchnummerierten Ringen und eine spezielle Zange. Und ein paar Tücher, die sie ebenfalls noch brauchen wird.
Als sie die Leiter an einen kräftigen waagerechten Ast stellt, auf dem in knapp drei Meter Höhe eine moosbedeckte Bruthöhle befestigt ist, wird nur noch geflüstert. Mit einem Brettchen verschließt sie den Höhlenzugang und öffnet dann das einen halben Meter lange Behältnis hinten. „Es sind alle da“, verkündet sie leise. Vier Jungvögel konnte sie sehen, „vielleicht versteckt sich auch noch einer“.
Eines ist schon klar: „Sie sind nass, ich muss sie trockenlegen und sauber machen.“ Dann greift Sinja Werner hinein und verfrachtet schnell und routiniert drei Jungvögelchen ins Säckchen. Und wo bleibt das Vierte im Bunde? „Versteckt sich vorne im Marderschutz“, und zwar erfolgreich. Deshalb verschließt sie die Höhle wieder und steigt mit dem Trio nach unten. Sanft legt sie das Säckchen auf den Tisch und bringt nun, vom Publikum umringt, den ersten kleinen Steinkauz ans Licht: ein flauschiges, gut faustgroßes, graubraunes Knäuel mit creme-weißen Flecken. Dann zeigt sich das typische Steinkauz-Gesicht. Flach, kleiner Schnabel mit gelblicher Spitze und großen Augen.
„Sieht super aus, und die Flügel haben schon geschoben“, stellt Sinja Werner fest und macht sich an die Arbeit. Wiegen, Flügel und Knochen vermessen und alles notieren. Dann wird der offene Ring über den rechten Fuß geschoben und mit der Zange fachgerecht geschlossen. 113 Gramm wiegt das Vögelchen, es hat also schon mehr als die Hälfte des Gewichtes fürs Erwachsenenleben, ist laut der Expertin etwa 23 Tage alt und wird demnächst flügge: „Das perfekte Alter für eine Beringung“, erläutert die Biologin, „der Knochen ist fast ausgewachsen, der Ring kann nicht mehr rutschen.“ Der Ring hat eine individuelle Nummer und ist nun „der Pass“ des Steinkauzes, der getrocknet und geputzt ins Eimerchen gesetzt wird.
Zu viel Besuch stört den Nachwuchs
Helle Freude, als sie die zwei Geschwisterchen hervorholt: „Die sehen top aus, gesunde kleine Vögelchen.“ Die vier Zehen werden kontrolliert, inklusive der sehr beweglichen Windezehe zum besseren Greifen der Beute. Als Sinja Werner, die das Beringen für die Foge ehrenamtlich macht, das zweite Exemplar auf den Rücken dreht, bekommt sie eine knackige Darmentleerung ab: „Die hat wohl die letzte Maus abbekommen, aber das gehört eben dazu“, sagt sie lachend. Ihre Mutter Ute assistiert – und erklärt, weshalb eine öffentliche Beringung fast Geheimsache sein muss: „Es kam schon vor, dass ein bekannter Standort dann Dauerbesuch bekam, auch von Fotografen. Und das kann die Brut empfindlich stören.“
Inzwischen hat ihre Tochter Sinja auch das vierte Vögelchen erwischt, und als die Arbeit getan ist, kommt der magische Moment der Aktion: Die Kinder dürfen die Vögelchen im Eimer berühren. Ganz vorsichtig gehen sie vor, mit leuchtenden Augen: „Die sind so weich und kuschelig“, sagt Niklas, „voll süß.“ Und er denkt, dass die Vögelchen hier „ein gutes Leben haben, weil es so schöne Bäume gibt“.
Jens Fränznick, Vorsitzender der ASS Steinheim, bietet nun heimischen Apfelsaft an. Das Ehepaar, dem die Obstwiese gehört, hat Hochprozentiges parat, Kostproben von vielen Sorten, alles von hier geerntetem Obst. Sauer- und Süßkirsche, Quitte, Birne, Reneklode, Zwetschge, Äpfel. Und es wird weiter klar, warum der genaue Ort der Wiese nicht genannt werden soll: „Dann geht der Obstklau hier erst richtig los.“
Gut gelaunt steht die Gruppe noch beisammen, tauscht sich aus über die Faszination der Aktion. „Die Kinder waren richtig andächtig“, sagt Jens Fränznick lobend. So kann man sie mit ins Boot holen und sensibilisieren für den Schatz, den wir mit dieser Landschaft haben.“