Corona erzwang den Verzicht auf Präsenztreffen. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen rein virtuelle Hauptversammlungen auch nach der Pandemie möglich bleiben.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Aktiengesellschaften sollen ihre Hauptversammlungen auch nach Bewältigung der Coronapandemie ausschließlich virtuell abhalten dürfen. Das Bundesjustizministerium stellte am Donnerstag einen Referentenentwurf für eine entsprechende Änderung des Aktiengesetzes vor.

 

Demnach sollen Hauptversammlungen „ohne physische Präsenz der Aktionäre“ möglich sein, wenn die Satzung der Gesellschaft dahingehend geändert wird. Für diese Satzungsänderung ist zunächst ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich, sie muss zudem auf fünf Jahre befristet werden.

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Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hält durchaus für möglich, dass gerade bei großen Aktiengesellschaften eine Mehrheit der Anteilseigner für eine rein virtuelle Versammlung stimmen könnte: „Bei den Konzernen im Deutschen Aktienindex (Dax) sitzt das Gros der Anteilseigner im Ausland“, sagte DSW-Sprecher Jürgen Kurz. Diese Aktionäre, zumeist große Vermögensverwalter oder Pensionsfonds, hätten an der Entsendung von Vertretern zu Präsenzveranstaltungen oft wenig Interesse.

Aktionärsschützer werben für eine Hybridlösung

Aus Sicht der DSW sollten Unternehmen ihren Aktionären beides anbieten: Ein Präsenztreffen und parallel dazu die Möglichkeit, die Versammlung online zu verfolgen. Reine Online-Hauptversammlungen hätten sich in der Coronakrise als „blutleere Veranstaltungen“ erwiesen, kritisierte Kurz.

Im Referentenentwurf werden einige Kritikpunkte aufgegriffen: Anders als bei vielen virtuellen Hauptversammlungen der vergangenen zwei Jahre sollen sich die Aktionäre auch mündlich zu Wort melden können, etwa in Form einer Videoschalte. Allerdings müssen Redebeiträge spätestens vier Tage vor der Hauptversammlung angemeldet werden.

Spontane Nachfragen bleiben schwierig

Fragen an den Vorstand sollen wie gehabt schon vor der Online-Hauptversammlung eingereicht werden. Nach deren Beantwortung soll es künftig immerhin Gelegenheit zur Nachfrage geben – bislang war das bei virtuellen Versammlungen in der Regel nicht der Fall. Aber: Nachfragen muss das Unternehmen nur zulassen, wenn sie in Zusammenhang mit der ursprünglich eingereichten Frage stehen. „Spontane Fragen zu Aspekten, auf die man möglicherweise erst im Laufe der Veranstaltung aufmerksam wird, werden damit praktisch unmöglich“, kritisierte Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK).

Kaum Anfechtungsmöglichkeiten bei technischen Störungen

Ein großes Problem sieht Kienle auch darin, dass Aktionäre bei technischen Störungen kaum Chancen hätten, die Ergebnisse der Hauptversammlung anzufechten. Das wäre nach dem Referentenentwurf nur bei „grober Fahrlässigkeit“ des Unternehmens möglich. „Wenn Sie zu einem Präsenz-Aktionärstreffen gehen und ein Ordner Ihnen zu Unrecht den Zutritt verwehrt, dann können Sie die Beschlüsse ja auch anfechten“, sagte Kienle dazu.

Für die aktuelle Hauptversammlungssaison kommt der Entwurf ohnehin zu spät. Hier werden weiter die für Aktionäre noch nachteiligeren Regeln gelten, die in der Coronakrise als Notlösung erlassen wurden.