Professionelle Graffiti-Künstler werden im Kreis Ludwigsburg zunehmend angefragt, um große Flächen zu gestalten. In Kornwestheim steht bald ein weiteres Projekt an. Können damit unerlaubte Schmierereien tatsächlich eingedämmt werden?

Ludwigsburg: Anne Rheingans (afu)

Noch sind die Flächen der neuen Eisenbahnüberführung in der Bahnhofstraße in Kornwestheim grau und trist. Doch Christoph Ganter steht schon in den Startlöchern. Der Stuttgarter Künstler, der unter dem Namen Jeroo bekannt ist, gestaltet öffentliche Flächen mit bunten Graffiti. Seine Werke und die seiner Kollegen sind gefragter denn je. Denn dabei geht es um mehr als bloße Verschönerungen.

 

Wer draußen an Wänden mit einer Spraydose herumhantiert, handelt nicht immer kriminell. In den vergangenen Jahren haben Städte wie Kornwestheim und Steinheim Graffiti-Arbeiten beauftragt. Der Gedanke dahinter: große, professionell gestaltete Wandbilder mit ansprechenden Motiven statt illegaler Farbschmierereien.

Die Unterführung am Bahnhof soll verschönert werden

Künstler haben in Kornwestheim zuletzt die Friedhofsmauer in der Aldinger Straße und den Zugang zu den S-Bahn-Gleisen am Bahnhof verschönert. Die Stadt hat Graffiti an der Lärmschutzwand der Ludwigsburger Straße und am südlichen Stadteingang in Auftrag gegeben. Auf dem ESG-Gelände in der Jahnstraße steht darüber hinaus eine Wand, die nach Rücksprache legal besprüht werden darf, teilt die Stadt mit.

Als weiteres Projekt steht die Unterführung in der Bahnhofstraße an. 15 000 Euro sind dafür im Haushalt eingeplant. Der Gemeinderat hat im November 2021 mehrheitlich für einen Jeroo-Entwurf gestimmt. Er zeigt ein breites, farbiges Motiv mit Natur- und Tierabbildungen.

Werke werden mittlerweile als Kunst anerkannt

Ursprünglich war vorgesehen, dass sich der Stuttgarter Künstler noch im Jahr 2021 ans Werk machen darf. Weil sich die Abschlussarbeiten am Brückenneubau verzögert hatten, blieb die Freigabe seitens der Deutschen Bahn bisher aus. Die Stadt Kornwestheim hofft, dass bald grünes Licht dafür kommt. Sie geht davon aus, dass Christoph Ganter noch in diesem Jahr seinen Entwurf umsetzen kann.

Der Stuttgarter stellt fest, dass die Anfragen von Städten zunehmen. Früher, also vor etwa 15 Jahren, sei es noch undenkbar gewesen, dass Graffiti beauftragt werden. Sie wurden von vielen kategorisch abgelehnt. Diese Einstellung sei mittlerweile nur noch selten anzutreffen. „Jetzt ist es als Kunst anerkannt und ein Teil der Kultur geworden“, sagt er.

Illegale Werke als soziales Statement

Der 42-jährige Künstler hat die Erfahrung gemacht, dass großflächige Arbeiten nur selten illegal übersprüht werden. „Dafür muss schon ein persönlicher Groll vorliegen“, meint er. Der Zweck, bestimmte Flächen frei von illegalen Schmierereien zu halten, werde dort also erreicht.

Mehr Flächen zum legalen Sprayen könnten nach seiner Ansicht helfen, illegale Schmierereien einzudämmen. Ganz vermeiden ließen sie sich aber wohl nicht. „Es wird immer wieder Leute geben, die das illegale Sprayen als soziales Statement verstehen und sich nicht davon abbringen lassen“, sagt er. Der Künstler hat beobachtet, dass die illegalen Aktionen weder einen Aufwärts- noch einen Abwärtstrend erfahren, sondern sich wellenförmig entwickeln.

Zahl der Fälle schwankt von Jahr zu Jahr

Das belegt die Statistik des Polizeipräsidium Ludwigsburg für den Landkreis. Sie weist für Jahr 2022 bei den Sachbeschädigungen durch Graffiti 309 Fälle aus. Zum Vergleich: 2021 waren es landkreisweit nur 275 Fälle, 2020 jedoch 560.

„Es gibt Zeiten, in denen Sprayer verstärkt unterwegs sind, und Monate in unterschiedlichen Jahren, in denen es ruhig bleibt“, sagt auch Jan Trost, der Bürgermeister von Marbach. Die Schillerstadt ist nach seiner Kenntnis die einzige Kommune im Landkreis mit einem Graffiti-Bus-Stop. Die Bushaltestelle an der Stadionhalle darf jeder besprühen, wie er oder sie möchte. Weitere Wandmalereien gebe es beispielsweise im Parkhaus in der Grabenstraße und an der Bahnhofsunterführung. Dabei handele es sich aber nicht um Graffiti, sagt Trost. Illegale Darstellungen zeigt die Stadt an.

Öffentliche Flächen für das erlaubte Sprühen freigegeben

Die Stadt Steinheim lässt die Mitarbeiter des Bauhofs illegale Graffiti möglichst schnell entfernen. Größere finanzielle Schäden bringt die Verwaltung zur Anzeige, teilt Bürgermeister Thomas Winterhalter mit. Er hat den Eindruck, dass die Zahl bloßer Kritzeleien innerhalb der vergangenen zwei Jahre abgenommen hat. Die Stadt Steinheim hat ebenfalls Graffiti anbringen lassen: im Bereich des Campus an zwei Garagen, in der Beethovenstraße an einem Trafohäuschen und im Wohngebiet Arkadien. Dort war das Jugendhaus zusammen mit einem Profi-Sprayer tätig, erklärt Winterhalter.

Auch in anderen Teilen des Landkreises sind Flächen für das erlaubte Sprühen freigegeben. In der Ludwigsburger Kernstadt und in den Stadtteilen gibt es beispielsweise Wände, die legal besprüht werden dürfen.

Anmerkung der Redaktion: Zum Teil ist der Eindruck entstanden, dass legale Künstler im Auftrag von Städten illegale Wandkunst zerstören. Das ist nicht der Fall. Dieser Artikel befasst sich mit Flächen, die bisher frei von Graffiti-Kunst jeglichen Ursprungs sind.