Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 ist bereit, den Kompromissvorschlag von Heiner Geißler zu prüfen, sagt Brigitte Dahlbender.

Stuttgart - Frau Dahlbender, welche zentrale Erkenntnis haben Sie nach einem langen und turbulenten Sitzungstag im Rathaus mitgenommen?

 

Dass Stuttgart 21, wenn man das Audit genau liest, gescheitert ist.

Die Bahn sieht das offenbar anders und hat am Wochenende Aufträge für 750 Millionen Euro vergeben.

Das ist natürlich sehr bedauerlich und zeigt, wie starrsinnig und uneinsichtig die Bahn ist. Ich verstehe dabei auch die Politik nicht, die zulässt, dass Bauaufträge für Tunnelbauten vergeben werden, deren Planfeststellung noch nicht abgeschlossen ist.

Ist damit auch der von Geißler unterbreitete Kompromiss - einen kleineren Tiefbahnhof für den Fernverkehr unter den Kopfbahnhof zu bauen - bereits vom Tisch, bevor er überhaupt diskutiert werden konnte?

Vergabe ist nicht gleich Baubeginn. Bis dahin, dem Abschluss der Planfeststellungsänderung, vergeht noch mindestens ein Jahr. Jetzt kommt daher nur ein kleiner Teil der Kosten zum Tragen. Wir als Aktionsbündnis sind bereit, den Vorschlag ernsthaft zu prüfen. Wir haben uns mit einer ähnlichen Lösung bereits vor 15 Jahren befasst und sehen darin eine Chance. Damit verbunden ist allerdings ein Moratorium, das Geißler in seinem Friedenspapier ja auch selber fordert. Und das kann nur einen sofortigen Bau- und Vergabestopp bedeuten.

Waren Sie überrascht von dem Vorschlag?

Absolut, wir hatten die Sitzung zu diesem Zeitpunkt ja eigentlich schon verlassen. Überraschend finde ich dabei vor allem, dass die Verkehrsexperten von SMA zusammen mit Heiner Geißler das Papier entwickelt haben und darin zu dem Ergebnis kommen, dass diese Alternative billiger ist als Stuttgart 21, dem sie ja eine wirtschaftlich optimale Betriebsqualität bescheinigt haben. Das ist ein sehr gewagtes Vorgehen und kann nur letztlich bedeuten, dass SMA selbst davon überzeugt ist, dass es eine bessere Lösung als S 21 gibt.

Erst sagt das Aktionsbündnis die Teilnahme an der Stresstestsitzung ab, dann kommt es doch - um dann vor dem Ende auszusteigen. Haben Sie sich damit einen Gefallen getan?

Die Diskussion war zu diesem Zeitpunkt hoffnungslos falsch gelaufen. Aus irgendwelchen Gründen war der Schlichter Geißler nicht mehr davon abzubringen, dem Tiefbahnhof eine Premiumqualität anhängen zu wollen. Er hat versucht, das Audit besserzureden, als es ist. Im Gegenzug ist es uns nicht ermöglicht worden, unsere Fachvorträge am Stück zu halten. Es war kein Faktencheck mehr, sondern eine Veranstaltung, die davon geprägt war, der Politik breiten Raum zu geben. Das wollten wir einfach nicht mehr mitmachen.

Ist der Vorschlag auch das Ende von K21?

Natürlich sind wir nach wie vor überzeugt, dass ein modernisierter, oberirdischer Kopfbahnhof die beste Lösung wäre. Wir sehen in dem Kompromiss aber die Chance, einen Mittelweg zu finden, der die Stadt befriedet und auch eine gute Lösung für Regional- und Fernverkehr, für Natur, Umwelt und Stadtentwicklung ermöglichen kann. Wir haben ja mit unserem K-21-Konzept bereits gezeigt, dass auch mit einem Kopfbahnhof 70 Hektar Fläche frei werden.

Was wird als Nächstes passieren?

Zunächst einmal erwarten wir die Bekanntgabe der Entscheidung über den Eilantrag, den wir gegen die Arbeiten zur Grundwasserentnahme gestellt haben. Dann setzen wir uns mit Themen wie Auswertung des Audits, Kundenfreundlichkeit und Brandschutz auseinander. Die Stuttgarter Feuerwehr hat mehr als 30 Maßnahmen aufgelistet, von denen die Bahn die Hälfte nicht erfüllen will. Das ist skandalös.