Das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ versammelte sich im Rahmen einer von der UN ausgerufen Veranstaltungswoche auf dem Schlossplatz. Der Anschlag in Neuseeland überschattet die Kundgebung.

Stuttgart - Vielleicht könnte das Grauen von Christchurch zumindest einen heilsamen Effekt haben, meint Rita Pollety. Sie hält einige Flugblätter in der Hand. Die Aktivistin will sie im geschäftigen Treiben auf der Königstraße unter die Leute bringen. Pollety gehört zum Aktionsbündnis „Aufstehen gegen Rassismus“. Es hat sich am Samstag vor dem 21. März auf dem Schlossplatz versammelt.

 

Anlass ist die internationale Aktionswoche gegen Rassismus. Sie geht auf einen Beschluss der Vereinten Nationen 1979 zurück. Die UN-Mitgliedsstaaten sollten rund um den 21. März mit einer Veranstaltungswoche Solidarität mit den Opfern rassistischer Gewalt zeigen, entschied damals die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Sicherheitskräfte des Apartheid-Regimes in Südafrika hatten am 21. März 1960 im Township Sharpeville 69 Demonstranten erschossen.

Aktivisten sind entsetzt über Anschlag

Kein Aktivist von „Aufstehen gegen Rassismus“ ahnte, dass einen Tag vor der Kundgebung auf dem Schlossplatz Dutzende Menschen bei einem Anschlag auf zwei Moscheen in der neuseeländischen Stadt Christchurch sterben würden. Das Entsetzen ist entsprechend groß. Sie habe aus dem Radio von dem Anschlag erfahren, erzählt Pollety. „Mich hat es gestört, dass nur so kurz berichtet wurde. Wenn ein islamistischer Terroranschlag passiert, gibt es Sondersendungen“, sagt sie. Vielleicht hätten die Medien zu dem Zeitpunkt noch zu wenig gewusst, meint sie dann. „Ich wünsche mir, dass so ausführlich über Neuseeland berichtet wird wie nach einem islamistischen Anschlag“, sagt sie.

Die Öffentlichkeit nehme rassistisch motivierten Terror anders wahr als Anschläge aus dem islamistischen Spektrum, findet Pollety. Bei rechten Terroristen wie dem norwegischen Attentäter Anders Breivig sei oft von Einzeltätern die Rede, die psychische Probleme hätten, sagt sie. „Bei Muslimen sieht man immer ein Netzwerk dahinter, selbst wenn jemand nur einen spektakulären Abgang sucht und sich auf den IS beruft“, meint sie.

Auch Deutschland ist betroffen

Manuel Scharf vom Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ wärmt sich die Hände an einem Becher Kaffee. Er habe die Nachricht von dem Attentat in Neuseeland wie einen Schlag in die Magengrube empfunden, sagt er. Scharf hält einen Anschlag mit Schusswaffen in Deutschland für unwahrscheinlich, sagt er. „Bei uns gibt es andere Waffengesetze“, meint er. Rechte Gewalttaten habe es in Deutschland aber zum Beispiel in den 90er Jahren gegeben, sagt er. Die Morde der Terrorgruppe „Nationalsozialsozialistischer Untergrund“ (NSU) seien auch erst ein paar Jahre her. „Christchurch könnte eine Initialzündung sein für solche Täter“, sagt er. Terror wie der in Neuseeland gedeihe in einem weltweit immer feindseligeren Diskurs über Zuwanderer und Minderheiten, findet Scharf. Da bilde Deutschland keine Ausnahme, sagt er. „Gerade Neuseeland gilt als offenes Land und trotzdem ist es passiert“, meint er.

Er sieht zumindest in Stuttgart kaum Nährboden für rassistische Gewalt. „Ich wohne im Stuttgarter Osten. Da hat die Hälfte der Bewohner Migrationshintergrund und es gibt keine Probleme“, sagt er. Mehr Sorge bereitet ihm das ländliche Umfeld Stuttgarts. „Da gibt es feste Strukturen unter den Rechten“, meint er.

Jeder kann handeln

Mit der Kundgebung auf dem Schlossplatz wolle man Menschen auch aufklären, wie sie auf Anfeindungen reagieren können, erklärt Scharf. Am Stand finden sich Informationen zur Kampagne „Stammtischkämpfer“. Teilnehmer können in Seminaren lernen, was sie als Zeugen von Übergriffen machen können. Scharf gibt ein Beispiel. „Wenn in einem Bus jemand beleidigt wird, sollte man sich demonstrativ neben das Opfer setzen. So kann jeder ein Zeichen setzen“, sagt er.